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Jazz, ein Abenteuer für Klassiker

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Zugeordnete Kategorien: Jazz

Basst! Profilseite von Basst!, 17.02.2019, 11:15:30
Jazz, ein Abenteuer für Klassiker

Hallo liebes Forum

Nach jahrelangem musizieren im Bereich der klassischen Musik wage ich mich nun auch den Jazz mal auszuprobieren. Mein Problem: Bei den meisten Stücken sind ja keine Noten sondern eben nur E7, D-6... gekennzeichnet. Damit komme ich glaube ich mindestens zimlich gut klar. Aber was bedeuten die Dreiecke vor den Buchstaben oder was ist der unterschied wenn ein -7 oder nur 7 dasteht. 

Ich kann dies in drei Wochen auch alles meinen Lehrer fragen, allerdings ist es doch so, dass wenn man mal mit etwas angefangen hat das mega spass macht, man möglichst viel schon damit spielen möchte. Deshalb die Neugier. Wenn das aber zu komplizierte Fragen sind muss ich halt noch etwas Geduld haben und das All of Me nur mit halben Noten oder einem Vierklang spielen :-)

Samy Profilseite von Samy, 17.02.2019, 11:50:50

für Akkorde gibt es unterschiedliche Schreibweisen mit der gleichen Bedeutung und je nach Leadsheet/Komponist kommen die verschiedenen Varianten zum Einsatz. Bei "ganz ungewohnten" Schreibweisen schreib ich mir bekannte Variationen einfach oben drüber.

Der Unterschied zwischen 7 und -7 ist z.B., dass das zweite die Moll-Variante des entsprechendes Dominantseptakkords ist, der nur mit der 7 notiert wird.

Einen ganz brauchbaren Überblick findest du u.a. hier oder auch hier...

wjl Profilseite von wjl, 17.02.2019, 12:02:03

Hi Basst!,

mein "New Real Book" von Sher hat eine Erklärung am Anfang, es handelt sich um eine Notation nach Brandt/Roemer.

Findet man zum Teil auch in Wikipedia:

https://en.wikipedia.org/wiki/Chord_names_and_symbols_(popular_music)

Hoffe das hilft,

Wolfgang

Basst! Profilseite von Basst!, 17.02.2019, 14:51:11

Vielen Samy und Wolfgang!

Ich werde die Seiten sobald als möglich studieren und hoffe, dass ich schlauer werde daraus. 

Und wie ich schon geschrieben habe, sonst löchere ich dann einfach das nächste mal meinen Lehrer ;-)

Quenoil Profilseite von , 17.02.2019, 15:11:38

Ich kann nur dazu raten, so schnell wie möglich die typischen, idiomatischen Lines zu lernen, damit es auch wirklich nach Jazz klingt.

Basst! Profilseite von Basst!, 20.02.2019, 18:55:29

Lieber Quenoil

Das ist in der theorie ein sehr guter tip, in der realität ist es halt so, dass ich nun gaaaanz laaaangsam mich herantaste. momentan wirklich nur halbe noten zu "all of me" um mit den tönen zurecht zu kommen. weisst du, wenn man von musiktheorie generell sehr lange (also etwa 27 jahre lang) nicht sehr viel gehalten hat und es bis jetzt nie nötig war da ich trotzdem meine für meine verhältnisse ziemlich anspruchsvolle stücke spielen konnte muss ich mal mit den quinten und quarten etc befassen. ich weiss schon was das ist, muss aber meistens noch aktiv abzählen... also danke für die (idiomatischen?) lines-tips, aber ich muss da devinitiv langsamer dran...

die zeichen kommen halt trotzdem, weswegen ich ursprünglich gefragt habe ;-)

Quenoil Profilseite von , 20.02.2019, 19:10:26

Dein Lehrer sollte dir die üblichen Klischee-Linien tatsächlich einmal in Notenform aufschreiben und das Prinzip erklären. Die Prinzipien sind einfach, es braucht nur lange, bis man die Prinzipien internalisiert hat und sie flüssig spielen kann.

ctrlzjones Profilseite von ctrlzjones, 21.02.2019, 11:04:53

Dass die Tonhöhen (also die Wahl der Töne) nur die halbe Miete sind wenn es um "Walking Bass" Linien geht wird immer gerne vergessen.

Der grösste Unterschied zwischem Klassik und Jazz liegt bei der Gestaltung der musikalischen Zeit & Phrasierung, wie und wann (im Verhältnis zum Beat) die Töne gespielt werden sollten ... 

Um das herauszubekommen und eine innere Vorstellung davon aufzubauen wie was die Finger da so mit mit den Seiten machen wollen sollen, hilft es ganz prima sich ordentlich mit den gewöhnlichen Verdächtigen zu beschäftigen (also so von Jimmy Blanton bis, äaah ... Anders Jormin) um seine Role-Models zu finden und zu verfolgen. 

Also ganz viel hinhören ...

Und mit einem guten inneren Zeitgefühl, kommt man mit 1 - 5 und ein paar Chromatischen schon ganz schön weit ...

John Goldsby hat ein wunderbares, viel zu unterbelichtetes Buch, über die Geschichte und Rolle der Kontrabasses im Jazz geschrieben, mit vielen Geschichten zu den Musikern und Beispielen dies analysieren was diese mit dem Bass gemacht haben.

http://john.goldsby.de/books/the-jazz-bass-book/

FrederikM Profilseite von FrederikM, 21.02.2019, 18:23:47

Moin moin,

da möchte ich crrlzjones und Quenoil zustimmen. Schau einfach mal, welche Jazzbassisten Du toll findest und versuche, die Basslinien herauszuhören. Zu All of me finden sich ja gerade bei Youtube massig Aufnahmen.

midioma Profilseite von midioma, 22.02.2019, 18:32:24

Die Akkordsymbole sagen leider nur etwas über die Akkordtöne aus, aber nicht welche Töne sonst noch an dieser Stelle in der Tonleiter enthalten sind. Da geht aus einem isolierten Akkordsymbol nicht hervor, man muss schauen in welchem Zusammenhang das steht, meist sind ein bis zwei Akkorde danach wichtig um das herauszufinden (Stichwort II-V-I). Wenn Du nur Akkordtöne spielt ist das kein Problem, aber dann fallen die typischen Walking-Bass-Linien fast komplett weg. 

Es gibt zwei Möglichkeiten heranzugehen (und es wäre gewiss nicht falsch beides parallel zu nutzen): Sich ausgiebig mit Musiktheorie beschäftigen (nicht nur Jazzharmonielehre) und/oder das Hören so gut ausbauen, dass Du bei einem Tonleiterausschnitt vorab hören kannst ob der nächste Schritt ein Halbton oder ein Ganzton entfernt liegt. In seltenen Fällen passt weder das eine noch das andere, dann passt aber eine kleine Terz (eigentlich eine übermäßige Sekunde, aber wir wollen Dich ja jetzt nicht überfordern).

Mal so eben Jazz spielen geht für Klassiker nicht. Es gibt viele Musikstile, die den Klassikern erst einmal verbaut sind und die sie sich mit mehr oder weniger Aufwand einarbeiten müssen. Ein klassischer Geiger wird sich vielleicht relativ schnell in irische Volksmusik oder amerikanische Bluegrassmusik einarbeiten können, die Südindische Musik, die auch auf einer Geige gespielt wird, wird er vielleicht nie erlernen können. Der Jazz liegt irgendwo dazwischen. Beim Bass ist das ähnlich. Ein Orchesterbassist würde ziemlich lange brauchen um arabische Musik oder indische Musik glaubwürdig spielen zu können. Den Jazz kann man zum Glück mit einiges an guter Theorie (es gibt da genug was anfangs funktioniert aber irgendwann nicht mehr reicht und das Verständnis verbaut) und reichlich Übung erlernen. Ein Jahr bis zu einfachen Big-Band-Stücken musst Du aber schon rechnen.

ctrlzjones Profilseite von ctrlzjones, 24.02.2019, 12:23:19

...  jetzt mach im halt nicht soviel Angst ;-)

Wollte Meister Basst doch nur wissen wie das mit den Akkordsymbolen funktioniert ... Und zwei Oktaven Arpeggios lernen (nicht nur mit den Augen/Fingern, auch mit den Ohren) hat noch niemandem geschadet. 

 

Ansonsten bin ich ja kein Fan von diesen YT Geschichten, aber hier 

hat jemand ganz anschaulich gezeigt wie das mit den Akkorden und den Walking Lines zusammen geht ... 

 

midioma Profilseite von midioma, 24.02.2019, 14:30:50

Es war nicht meine Absicht jemandem Angst zu machen, ich wollte nur klarmachen, dass das Lesen isolierter Akkordsymbole allein nicht zu korrekten Basslinien führt. 

Wenn man es verstehen will geht letztlich kein Weg an der Theorie vorbei. Wenn man es nur spielen will kann man auch durch viel Hören von Jazz sich eine Basslinie im Kopf dazu vorhören (zumindest einige Noten im Voraus) und die dann, sofern man die Intervalle identifizieren und auf dem Instrument umsetzen kann, von Sekunden bis Quinten lernt man das recht schnell, auch spielen. Dazu braucht man keine Theorie, aber bei Schnelken und kurzen Tonarteechseln wie im Bebop kann man leicht den Anschluss verlieren. 

Vereinfacht dargestellte Theorie hat den Nachteil, dass sie nur in gewissen Situationen funktioniert. Wenn man mehr braucht muss man dann Umlernen, was oft schwierig ist wenn man von dem einfachen, bequemeren nicht weg will. 

Daher ja meine Empfehlung doppelgleisig zu fahren. Das Hören ausbauen (Intervalle schnell identifizieren und anwenden) und parallel dazu allgemeine Musiklehre und langsam anfangen sich durch ein inhaltlich gutes und gut vermittelndes Jazzharmonielehrebuch durchzuarbeiten. Für die Klassik ggf. später oder parallel auch klassische Harmonielehre. Da ist man einige Zeit beschäftigt, aber man kann ja das jeweils schon verstandene erst einmal anwenden. 

Das Goldsby Bass-Buch ist gut, da man dort an den Beispielen sehen kann in welchem Stil man welche theoretisch möglichen Töne spielen kann und welche nicht. 

All of me im Dixie mit einer Bebop-Basslinie wirkt seltsam. Da die Jazzpädagogik aber schwerpunktmäßig am Bebop ausgerichtet ist (Aebersold läßt grüßen), ist es gut möglich, dass man aus Büchern gelerntes in der konkreten Anwendung relativieren muss. Wenn man das nicht weiß kann man ganz schön auf verlorenem Posten sein. 

Solange man alte Zeiten möglichst exakt wieder aufleben lassen will kann man sich an die entsprechenden Stil-abhängigen Regeln halten. Das klingt dann auch genau so. Irgendwann wird man dann hoffentlich merken, dass das dann nicht wirklich spontan ist und dem Wesen des Jazz widerspricht. Wenn man dann flexible Mitspieler hat, sollte man sich davon lösen und experimentieren was funktioniert und was nicht, was ja auch wesentlich von dem abhängt was und wie die anderen spielen. Aber das ist für einen Anfänger Zukunftsmusik. Es schadet aber nicht sich jetzt schon darüber im klaren zu sein, wo man sich in der persönlichen Entwicklung befindet. 

Regeln sind sicher eine gute Orientierungshilfe für den Anfang, aber wenn man spürt dass diese einen musikalisch zu sehr einengen, dann muss man bereit sein das eine oder andere über den Haufen zu werfen und riskieren, dass nicht alles gleich so klappt wie man es sich vorstellt. Dann kann man ja wieder in bekannte Gewässer zurück, falls die eigenen Experimente die Band destabilisieren. 

wjl Profilseite von wjl, 24.02.2019, 13:24:36

Hab seit gestern auch das Buch von John Goldsby, und ja, es ist klasse. Genug Übungsstoff für den Anfang. Und obwohl man Sachen wie "How high the moon" vielleicht im Ohr haben mag ist das bewußte Hineinhören (in die Bassline) sehr interessant. Dicke Empfehlung also.

Cheers,Wolfgang

Neuester Beitrag Basst! Profilseite von Basst!, 02.03.2019, 14:55:42

Liebe/r Midioma

Vielen Dank für die zwei sehr ausführlichen Beiträge. Aber ctrlzjones hat schon recht, so viel Wissen deinerseits überfordert mich momentan noch fast einwenig. Es macht mir überhaupt keine Angst, da ich ja nicht völlig zum Jazz wechseln will sondern halt einfach noch mehr Stile als die Klassik ausprobieren will und meinen Horizont erweitere. wenn es also ewigs dauert bis ich nur eine minimale ultrasimple bassline spielen kann ist das für mich kein frust. hatte heute gerade stunde und da ich momentan halt beides gleichzeitig mache (Basskonzert von Vanhal und Orchesterstücke von Bruckner sowie eben Jazz) konnten wir uns nicht so lange damit befassen. habe aber weitere aufgaben bekommen und wir schauen nun bereits den unterschied zwischen moll und dur an :-)) es ist mir immer fast einwenig peinlich dies zu schreiben, da ich ja wirklich schon sehr lange musik mache aber null plan habe von therrorie...

gut, aber alles in allem glaube ich, dass ich auf einem guten langsamen weg bin und mich mit hingabe weiter damit befassen werde. bei fragen werde ich mich natürlich gerne auch mal an euch wenden ;-)

zudem werde ich gleich den youtube clip ansehen und schauen, ob ich noch mehr informationen über das buch von john goldsby finde.

schönes wochenende allerseits!

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