FoX , 18.07.2006, 16:44:04
Kontrabass - Handwerk
Liebe Forumsbesucher!
Gestern abend, 17.7.2006, ein heißer Sommertag ist noch nicht zu Ende. Bereits um 18:30 bildeten sich lange Schlangen an der Kasse zur Komischen Oper. "La Traviata" wird gespielt, das Haus ist proppenvoll, sich nicht auf die Füße zu treten ist schwierig. Mein Sitzplatz, in der Mitte von Balkonien, ganz oben, erweist sich als Glücksgriff. Nur ein Kopf vor mir, der lediglich 20% des Bühnenbildes verbirgt.
19:05, es beginnt. Um es mit Reinhard Meys Worten zu sagen: "Das Bühnenbild zeigt nirgendwo, das Schauspiel ist erschreckend leer..." - einfach genial! Und da ist Sie - wunderschön wie als Blume gewachsen, Bewegungen gleich derer einer Feder, die sich sanft im lauen Frühlingslüftchen (hier wohl eher der Aufwind durch aufsteigenden Luftmassen der tausenden Besucher im Haus)von hier nach da, von dort dahin bewegt. Mit Liebe wendet Sie sich ihm zu, streift ihn, wie unbeabsichtigt mit den Haaren. Dann im Wechsel, dramatische Szenen und brutale Gewalt scheinen auf ein Chaos hinauszulaufen, doch schließlich voller Leidenschaft, den Kopf an den seinen - Ihre Wange an ihn angeschmiegt, die Augen geschlossen, um dann versunken in Gefühl wieder aufzustehen - welch ein Schauspiel.
Ich war den ganzen Abend gefesselt von dieser Bassistin. Ja, es waren vier Kontrabässe im Orchestergraben, vermutlich wurde vorne rechts der erfahrenste Bassist hingestellt, die beiden linken durften die Noten umblättern. Den Mann hinten rechts konnte ich kaum sehen, aber Sie, die Göttin am Kontrabass ließ meinen Blick keine Minute los. Ihr Gesicht blieb mir verborgen, Ihre Leidenschaft nicht.
Ich hätte nicht gedacht, dass mich eine Frau am Kontrabass derart erotisch "berühren" kann.
Mit dieser kleinen Szene will ich Euch sagen: ich finde, man sollte die Handwerker unter den Bassisten mehr beachten. Die meisten Bassisten in den Orchestern haben noch keine Platten aufgenommen und vielleich auch keine Website. Dennoch ist es suuuuuuuuuper zuzusehen, wie die Profis spielen. Ich weiß zwar seit gestern nicht mehr welchen Zweck 4-saitige Bässe erfüllen (scheint kein Mensch zu spielen), aber ich konnte das erste Mal die Arbeit der Kontrabässe beobachten. Es scheint wenig Aufwand in der Gesamtheit zu sein, dennoch will man keinen Ton missen. Ich würde gerne mal zwei Stunden neben dieser Bassgöttin knien und voller Erfurcht den Ton Ihres Instrumentes spüren. War ich schon begeistert vom Unterschied zwischen dem Billig-Holzbasses aus China zum Sperrholzbass von Strunal, so ist jeder einzelne Ton dieser vier Bassisten mehr wert als mein Leben (legt mich nicht darauf fest). Trotzdem bleiben diese Künstler ohne Namen - zu schade!
Ich empfehle: Balkon-plätze ganz oben, vorderste Reihe (und mindestens vier Bässe nicht ganz rechts angeordnet)
FoX
PS: Was passiert bei "La Traviata" eigentlich auf der Bühne??