Hmm Gubi,
obwohl ich dir in bestimmten Punkten zustimme, finde ich du schmeisst verschiedene Sachen in einen Topf, die vielleicht weniger miteinander zu tun haben, als es erstmal den Anschein hat. Die Frage, wie Du zu "Authoritäten" stehst, oder wen du als solche akzeptierst, kannst du natürlich nur selber beurteilen. Was das Vermischen von Verschiedenen Sachen angeht, damit meine ich Bereiche wie (1) Instrumentale Spieltechnik (2) Stilistik und Vokabular (3) Musicianship.
Zu (1): Was spricht dagegen, sich Techniksachen mal zeigen zu lassen? Das nichts damit zu tun, was du letztendlich musikalisch fabrizierst, erspart dir aber vielleicht in der Zukunft einen Besuch beim Orthopäden. Ausserdem, es GIBT eine Methodik, das Instrument zu erlernen, die einfach FUNKTIONIERT. Ich persönlich habe mit Klassik nichts am Hut, würde aber jedem und jeder eher empfehlen, ein paar Jahre Klassik Unterricht zu nehmen, und selber dann Jazz oder was auch immer autodidaktisch zu machen, als einen Jazz Lehrer. OK, vielleicht ist es Zufall dass ich mit letzteren eher schlechte Erfahrungen gemacht habe. Die versuchen einem tendentiell ihre Phrasierung und Ästhetik aufzudoktrinieren. Zwei von drei Typen, bei denen ich mal Stunden genommen habe, waren zum Beispiel der Ansicht, es lohne sich nicht, Bassisten wie Charlie Haden oder Wilbur Ware zu studieren, da diese nicht spielen könnten, besagte Lehrer wollten halt dass jede(r) so klingt wie Paul Chambers.
Zu (2): Das sehe ich schon wesentlich problematischer. Das Problem ist, du kannst natürlich nicht Unterricht nehmen, ohne dass irgendein Material gespielt wird, und das beinhaltet das Vokabular einer bestimmten Stilistik. Was ich bei der ganzen Jazzpädagogik eher problematisch finde. Siehe oben. Im Jazz geht es meiner Ansicht nach eben NICHT um Skalen, sondern um spontanen Ausdruck, und ein bestimmtes Feeling. Trotzdem ist es ja ein Idiom (eine musikalische Sprache mit ausgesprochenen oder unausgesprochenen Regeln), zumindest in "traditionellen" Jazz, d.h. du hast das Akkordschema was durchläuft, und was du spielst, muss sich darauf beziehen, sonst kriegst du ganz flott ziemlichen ärger. Du kannst natürlich versuchen, das alles über Gehör zu machen. Das dürfte bei Zigeunerjazz leichter sein als bei harmonisch moderneren Sachen. In jedem Fall sollte dir klar sein, dass du mit mehr theoretischen Kenntnissen auch mehr hörst, und das ist ja der einzige Sinn von Theorie: Akkord-Theorie, die du nicht mit den Ohren anwenden kannst ist totes Wissen, vergiss es, unnötiger Ballast. Mir nicht so ganz klar, wofür du eigentlich plädierst: Schallplattenstudium und zu Schallplatten spielen, das wird dir auch jeder Jazzer empfehlen. Aber so wie du das schreibst, ist mir nicht ganz klar: Wenn du zu einem Stück spielst, weisst du dann, welche Noten du spielst, und welche Akkorde das Stück hat, und wie viele Takte das Schema hat, oder findest du das überflüssig zu wissen? Ich finde es eigenartig, dass oft Leute, die sehr traditionelle Stile lieben, e.g. Rock oder in deinem Falle Zigeunerjazz, sehr ablehnend jeglicher Theorie gegenüberstehen, als würde diese sie einschränken. Wenn man sich solche Stile jedoch mal anguckt, so sind die harmonischen Regeln dort sehr eng, und die Musiker halten sich extrem eng an "Die Harmonielehre" (die es natürlich als "die" H-lehre nicht gibt, die ist immer stilgebunden). Natürlich gibt es keinen Grund sich mit harmonischer Theorie zu beschäftigen, solange du in der Musik die du machst auch ohne dies und rein über Ohren zurecht kommst. Ich finde es aber unverzichtbar, dass du weisst, welche Akkorde das Stück hat, und wie die Noten heissen, die du spielst. Sonst wirst du sofort völlig in der Wüste stehen, falls du mal einen schlechten Tag hast, oder irgendwas unvorgesehenes passiert.
Zu (3) kann man eigentlich nicht viel sagen. Manche Musik hat halt diese Magie, andere nicht. Und das ist natürlich sehr persönlich und extrem subjektiv. Ich finde zum Beispiel Garcia Fons furchtbar, hochpolierte Folklore, überarrangiertes Konsumprodukt, plus Virtuositätskult, steril und übersauber gespielt, einfach ekelhaft. Zugegebenermassen sehr gekonnt gemacht. Aber meiner Ansicht nach Bullshit, hält für mich den Vergleich mit authentischer Folklore nicht aus, die hat einfach 1000mal mehr Ehrlichkeit und Kraft.
be blessed in eternal Grooviness und Amen