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Lagenspiel: Drei- oder Vierfingertechnik?

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Zugeordnete Kategorien: Unterricht & Didaktik

Frank Schlosser Profilseite von , 01.09.2003, 09:31:19
Lagenspiel: Drei- oder Vierfingertechnik?
Hallo zusammen,

als langjähriger E-Bassist und seit kurzem Umsteiger auf KB beschäftigt mich insbesondere das unterschiedliche Lagenspiel. Auf dem E-Bass, auch auf dem 6-Saiter mit Super-Longscale-Mensur, komme ich prima mit der Vierfingertechnik hin. 16tel-Läufe sind mit ein bissel Übung und je nach Tempo bequem spielbar usw. Nun wird für das KB-Spiel (zumindest nach Simandl und anderen Klassikern) die Dreifingertechnik gelehrt. Wo liegt der Ursprung hierfür? Folgt dies einfach dem Umstand, dass es durch die weite Spreizung der Finger, bzw. kräftemäßig für den vierten Finger allein nicht reicht, längere Zeit zu spielen oder gibt es noch andere Gründe? Ich habe beispielweise (Puristen mögen mir verzeihen) mal aus Übermut ein paar Patterns, die ich sonst auf dem E-Bass spiele, in der Vierfingertechnik auf dem KB gespielt. Ist anstrengend aber es geht und mit ausreichend Übung und damit Kraftaufbau und Kondition halte ich die Übernahme dieser Technik nicht für abwegig. Oder schade ich mir evtl. durch Erlernen einer „falschen“ Technik, so dass ich am Ende aufwendig umlernen muss? Mich würden mal Euere Meinungen und Tipps, insbesondere die der langjährig erfahrenen K-Bassisten dazu interessieren.
Viele Grüße
Frank
Christoph Profilseite von , 01.09.2003, 13:02:10
Hallo!!
Ich spiele die alte Dreifingertechnik, sogar auf dem eBass in den ersten Lagen, dort jedoch überwiegend bei so typischen Begleitfiguren wie Grundton-Quinte-Oktave, jedoch ohne das sehr systematisch zu trennen. Wenn ich (auf dem eBass) den 4erSatz passender finde, benutze ich ihn auch.
Den exakten Grund für die 3erSätze kenne ich nicht, ich kann da nur spekulieren: lange Mensur, dicke Saiten, (früher) meist sehr hohe Saitenlagen, daraus resultiert ein hoher Kraftaufwand. Ich habe bei einem Lehrer gelernt, der damals schon weit über 60 war, also habe ich den 3erSatz gelernt und gar nicht hinterfragt, was das soll. So wird es wohl den meisten ergangen sein. Durch die langjährige Gewöhnung an dieses System kann ich mir nicht vorstellen bzw. habe ich keine Lust, es umzustellen. Ich komme so sehr gut zurecht. Damit meine ich aber nicht, die 3erTechnik sei die richtige, die andere die falsche. Ich kenne etliche (klassische) Bassisten, die die 4erTechnik spielen. Michael Wolf hat das sehr systematisch analysiert und an seine Studenten weitergegeben, andere vor ihm sind aber auch schon auf die Idee gekommen, wahrscheinlich gab es den 4erSatz auch immer schon parallel zum 3er. Alte italienische Solobässe haben recht kurze Mensuren, gut möglich, dass vor 200 Jahren, als der Bass noch dicht an der Gambe war, nur der 4erSatz existierte.
Weil es mich interessierte, habe ich vor vielen Jahren Michael Wolf kontaktiert und versucht, auf den 4erSatz umzusteigen. Er hat ein Buch zum Thema geschrieben, ich habe ihn mehrmals getroffen, Schützenhilfe kam dann auch noch von Adelhard Roidinger, er macht`s genauso. Der Umstieg hat trotz fachlicher Begleitung nicht funktioniert, ein Orthopäde musste ran, um meinen völlig verzogenen Rücken wieder zu richten, anschliessend wochenlang Krankengymnastik u.s.w.. Diese Erfahrung ist sicher nicht repräsentativ, wie gesagt, ich kenne sehr viele, die bei Michael studiert haben und den 4erSatz beherrschen. Die meisten dieser Kollegen sind erheblich grösser als ich, haben demnach grössere Hände, dies könnte ein Grund sein, warum es bei ihnen klappte und bei mir nicht. Ein anderer Grund jedoch ist mir damals definitiv klar geworden: ich spiele (und spielte) fast nur Jazz, ich mag einen Sound, bei dem z.B. ein auf der E-Saite gespieltes Ab richtig fett klingt und viel sustain hat. Sowas geht nur, wenn man die Saite kräftig aufs Griffbrett drückt, das habe ich mit meinem kleinen Finger nicht geschafft. Für reine Bogenspieler sieht das anders aus, der Bogen hat einen erheblich grösseren Einfluss auf den Sound als die Greifhand. Ich behaupte einfach mal, dass der klassische Spieler mit weniger Kraft in der linken Hand auskommt als ich, und unter dieser Voraussetzung findet er auch einen leichteren Zugang zur 4erTechnik. Für mich hat das nicht funktioniert. Die mir bekannten Bassisten, die die 4erTechnik spielen, sitzen fast alle in Orchestern und bedienen eine ganz andere Klangästhetik als ich. Unter den Jazzern, deren Sound mich beeindruckt, spielt keiner die 4erTechnik, was nicht heissen soll, dass das generell nicht geht, ich habe nur noch keinen getroffen. Wenn du aber mit diesem Verfahren zurecht kommst, spricht nichts dagegen. Erlaubt ist, was gut klingt!! Mach`dir aber mal den Spass und übe ein wenig mit Bogen und Kontrolltönen aus einem Keyboard o.ä., die Intonation ist wichtiger als eine hohe "Lick-Nudel" Geschwindigkeit. Das schadet auf gar keinen Fall.
Roland Profilseite von , 01.09.2003, 13:55:18
Hallo Frank,
wenn Du nach den Ursprüngen für das Dreifingersystem fragst kann ich nur Vermutungen äußern. Sicher liegst Du zunächst mit Deinen Vermutungen bzgl. Kraftaufwand und Spreizung prinzipiell richtig.

Geh mal davon aus daß sich Kontrabaßspieltechniken innerhalb einer bunten "Population" von SpielerInnen entwickelt haben und es niemals ein "Mastermind" gegeben hat der hätte sagen können: "So gehet hin und spielet also mit Finghern deren dreye". Auch den hierzulande hinreichend bekannte Franz Simandl sollte man nicht für ein solches Mastermind halten! Statistisch gesehen ist die Dreifingertechnik aber die weltweit absolut meistgebräuchliche Lagenspieltechnik und dieses ohne Vorgaben eines Masterminds. Vor diesem Hintergrund kann man eigentlich nur von kollektiven spielpraktischen Erfahrungen ausgehen, die BassistInnen unabhängig voneinander und über die Kontinente verteilt seit Generationen gesammelt haben.
Wenn ich mir selbst oder anderen BassistInnen zuhöre, dann ist meine Toleranz bzgl. Intonation beim Pizzicato grösser als beim Arco. Wenn Pizzicato sehr schnell gespielt wird und die Basslinie keine melodiös / cantable Funktion hat sondern primär nur noch groovt oder blubbert und die Changes mehr oder weniger klar macht, dann steigt meine Toleranz enorm, weil mein intonatorisches Urteilvermögen analog sinkt. Umgekehrt höre ich (und auch mein Publikum) intonatorische Sauberkeiten immer deutlicher wenn Arco, cantabel und relativ langsam gespielt wird und das auch in tiefen Lagen!

Man kann davon ausgehen das der Kontrabass über die Jahrhunderte hin primär als Streichinstrument genutzt wurde und man überwiegend in melodiöser Art relativ langsam spielte. Kontrabässe sind unbebundet, aufgrund der Mensurgrösse ist es statistisch gesehen den meisten Menschen nicht möglich auf bequeme Art in tiefen Lagen mit vier Fingern chromatisch und diatonisch ausreichend und ausdauernd sauber zu spielen, wenn es um cantable Arcopassagen geht. Hier liegt meine persönliche Erklärung für die breite Etablierung der Dreifingertechnik, sie entspricht nämlich dem breiten musikalischen Verwendungszweck von ca. 350 Jahren Kontrabaßspiel.

Die Musik die relativ langsames und gestrichenes Spiel nicht mehr verwendet und die entsprechende Bassistengeneration ist relativ jung. Die Generation die vom vierfingerig gespielten E - Bass kommend mit dem Kontrabass beginnt (ich gehörte vor 20 Jahren auch dazu) ist noch jünger. Wenn man sich heutzutage drei Patitucci Soli auf dem bebundeten Sechssaiter draufgezogen hat (bei mir war es Stanley Clarke) und anschließend einen Kontrabass und die Simmischule vor der Brust hat, ist es für mich klar, daß es fast einen Generationskonflikt gibt und es schwerfällt sich mit der Dreifingertechnik abzufinden. Mir kamen damals so Gedanken wie: "Mein Gott wie soll ich denn auf diese Art jemals mein geliebtes School Days Solo spielen können" und "Scheiße, jetzt büsse ich meine Virtuosität ein und komme auf beiden Instrumenten völlig durcheinander"....

Wenn Dich ähnliche Gedanken umtreiben, dann versuch Dich mit dem Gedanken anzufreunden daß Kontrabass und E - Bass zwei unterschiedliche Instrumente sind die sich in der Anfangs(Umsteige)phase nicht direkt aufeinander beziehen lassen. Nach meiner Erfahrung entsteht aber kein nennenswertes Problem durch die unterschiedlichen Fingersysteme. Langfristig werden beide Instrumente voneinander profitieren und nicht zuletzt gerade deshalb weil die Spieltechniken unterschiedlich sind. Und wenn Du Kontrabass Virtuosen als Vorbilder hast, dann schau doch mal wer von denen in tiefen Lagen mit vier Fingern greift, Patitucci tuts nicht, auch Stanley Clarke nur sehr vereinzelt (der Mensch ist aber auch über 2 Meter groß und hat Hände wie Bratpfannen).

Ich denke darüber hinaus, daß Flexibilität in jeder Hinsicht eine wertvolle Eigenschaft für MusikerInnen ist. Ich selbst spiele links meist nach der Rabbath Technik, d.h. mit drei Fingern bediene ich fünf bis sechs chromatisch aufeinander folgende Töne pro Saite mit verankerten Daumen und grosser Flexibilität in der Handstreckung. Auf dem E - Bass, spiele ich in langsamen Passagen meistens genau so, auf dem Fretless in den tiefen Lagen immer mit drei Fingern! (da ich nicht so schnell wie Pastorius spielen kann möchte ich auf jedenfall nicht durch Unsauberkeit für Furore sorgen).

Gruß Roland
Falk Hübner Profilseite von , 01.09.2003, 17:18:24
Hallo,
ich würde mich Christoph anschliessen, was den Unterschied zwischen arco und pizz. angeht. Ich habe gerade Unterricht bei Hans Roelofsen, Klassiker, der selbst ausschliesslich mit vier Fingern spielt. Für gestrichene Sachen ab den mittleren Lagen (C auf der G-Saite) finde ich es schon komfortabel, vor allem bei schnellen Tonleiterpassagen. Das Problem für die meisten Bassisten scheint wohl die Tradition zu sein. (Im übrigen wurde in Italien früher zwar mit drei Fingern gespielt, allerdings mit 1, 3 und 4!)
Beim Jazz und noch extremer Walking Bass allerdings würde ich persönlich nie mit vier Fingern spielen, weil ich dann einfach das Gefühl des "Zupackens" vermisse, was für Groove u.ä. meiner Ansicht nach notwendig ist.

Grüsse
Falk
Sascha Profilseite von , 02.09.2003, 15:09:51
Hi Frank und alle anderen!

Ich bin zwar kein Erfahrener Bassist, hatte mir aber, als ich vor 2 1/2 Monaten begann Kontrabass zu spielen (ebass spiele ich schon seit 3 Jahren), ähnliche Gedanken gemacht.
Bei meinen Bassgitarren wende ich immer die 4Fingertechnik an. So übernahm ich das auch auf den KB, hatte damit aber große Probleme. Dazu muss ich aber sagen, dass bei meinem Mietbass liegen die Saiten relativ hoch, was die sache ja noch extra erschwert. Und außerdem war ich vom ebass nur kürzere Abstände gewohnt, als es bei dir der Fall ist, ich hab einen mit nur Longscale mensur.
Von daher wirst du mit 4 Fingern wahrscheinlich weniger Probleme haben als ich. Bei mir waren die Probleme folgende: Ich konnte die Finger nicht bequem weitgenug spreitzen und dadurch nicht genau platzieren und dadurch war die Intonation eine Katastrophe (auch für die Verhältnisse eines Anfängers war's echt inakzeptabel)
Das zweite große Problem war der Kraftaufwand. Vor allem machte mir da der 3. Finger Probleme. Ich musste immer spätestens nach einer viertelstunde pausieren.
Als ich mich dann für die 3 Fingertechnik entschied, befürchtete ich dann beim ebass spielen immer durcheinander zu kommen, dem war glücklicherweise aber nicht so.
Im großen und ganzen schließe ich mich allen andern Kommentaren ohne einschränkung an.
So, ich hoffe nichts erwähnenswertes vergessenzuhaben....
schönen Gruß
sascha

p.s.: wie lang is denn eigentlich eine super longscale mensur?
Frank Schlosser Profilseite von , 03.09.2003, 10:22:24
Hallo zusammen und danke für Euere sehr umfangreichen Beiträge zu meiner Fragestellung! Als Anfänger habe ich ja noch jede Menge Zeit und Muße, nach Erlernen einer soliden Technik (insbes. Intonation), die eine oder andere "eigene" Technik bzw. Vorliebe auszuloten. Also erstmal üben, üben, üben, den Pattitucci und Pastorius kann ich ja weiterhin munter auf dem eBass fiedeln :-))

An Sascha: Eine Superlongscale-Mensur mißt 90-91,5 cm und ist auf einigen 5- u. 6-Saitern (E-Bässen) zu finden. Hintergrund ist das Schwingungsverhalten der H-Saite, diese gibt auf den "normalen" Mensuren oftmals einen sehr undifferenzierten und "waberigen" Ton.

Herzliche Grüße an alle

Frank
Neuester Beitrag Sascha Profilseite von , 03.09.2003, 14:34:29
ah, so is das also!
naja, ich hab halt nur viersaiter...;-)
Danke auch!
grüße
Sascha
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