Hallo Sirgrid,
Du stellst eine Frage die kaum erschöpfend beantwortet werden kann da sehr viele Faktoren eine Rolle spielen, zu diesen Faktoren gehört u.a. auch viel subjektives Empfinden und wie will man da jemanden raten? Es sollte Dir darum klar sein das dies hier meine subjektive Meinung darstellt, viele KollegInnen werden einiges ganz anders sehen.
Zunächst kannst Du einen guten Kontrabassbogen nicht unbedingt daran erkennen das ein wohlbekannter Herstellername wie z.B. Pfretzschner darauf prangt und Dir das gute Stück für 3000 Euro angeboten wird. Um beim Beispiel zu bleiben, Pfretzschner ist ein Familienclan und nicht ein bestimmter Mensch, daher gab und gibt es solche und solche Pfretzschners. Zu gewissen Zeiten (nach den letzten Kriegen) haben auch sonst so renommierte Bogenbaubetriebe mit einfachen oder gar schlechten Hölzern eher Masse statt Klasse geschaffen. Es gab auch sicher in guten Zeiten immer wieder mal die eine oder andere "Montagsproduktion" - was ich sagen will, verlaß Dich nicht blind auf grosse Namen und horrende Preise, außerdem gibt es natürlich auch Fälschungen.
Als Holzart für die gehobenen Ansprüche wird verbreitet Fernambukholz verwendet. Es geht beim Material vor allem um die Federungseigenschaften, denn diese sind für die mechanischen Eigenschaften des Bogens von Bedeutung und für seine Formtreue (die Zeit die er seine Form behält bevor er sich durch Ausleiern verzieht). Doch auch hier gilt, Fernambukholz ist mal so mal so, es gibt extrem unterschiedliche Grundqualitäten und im Zweifelsfalle ist eine gute Brasilholzstange einer schlechten Fernambukstange weit überlegen - nur eben billiger! Es gibt im oberen Preissegment (ab ca. 750 Euro) seit einiger Zeit Bögen aus einem Graphit Kohlefaserwerkstoff. Hier habe ich die Erfahrung gemacht, das das Preis Leistungsverhältnis bei diesen Bögen leicht besser ist als bei gleichteuer angebotenen Holzbögen. Der entscheidende Vorteil dieser Bögen ist aber ihre dauerhafte Robustheit und die Berechenbarkeit ihrer Qualität. Im unterer Preissegment (ca. 100 Euro) werden Bögen mit Fiberglasstangen angeboten, da muß man gucken, neben absoluten Schrottteilen gibt es mittlerweile auch welche die mit den in dieser Preiskategorie angebotenen Holzbögen locker mithalten können.
Wenn Du einen Bogen anschaust mußt Du natürlich darauf achten das er keinen Bruch hat bzw. hatte - wenn bei alten Bögen Holzabsplitterungen repariert wurden ist das nicht so tragisch, wenn die Stange aber mal ganz durchgebrochen war kann man den Bogen meist völlig vergessen. Überprüfe wie der Frosch läuft, also wie leicht sich der Bogen spannen und entspannen lässt, überprüfe wie gut der Frosch angepasst ist oder ob er gar wackelt. Viel mehr kannst Du zunächst nicht überprüfen. Erfahrenen Leute spannen der Bogen, halten ihn an einer bestimmten Stelle klopfen mit dem Fingerknöchel an die Stange und lauschen und beobachten die Schwingung der Bogenstange. Um mit dieser Methode sichere Rückschlüsse ziehen zu können bedarf es aber einiger Erfahrung, wenn Du diese hättest, hättest Du sicher nicht hier im Forum gepostet.
Ansonsten kann ich nur empfehlen den oder die Bögen die zur Auswahl stehen unbedingt auf dem Instrument auszuprobieren zu dem er mal gehören soll. Für mich ist das ein absolut wichtiges Kriterium, ein Bogen kann einen Grundcharakter bzw. eine Klangtendenz eines Instrumentes unterstreichen oder dieser entgegenwirken. Beides kann sinnvoll sein, wenn ich also beispielsweise einen Bass mit einer eher weichen Klangfarbe habe, kann ein Bogen der von seiner Klanggebung und seinem Ansprechverhalten eher knackig ist, dem ganzen zu einer besseren Ausgewogenheit verhelfen. Von grosser Bedeutung ist auch Deine bevorzugte Saitensorte, diese dann auch noch in Verbindung mit der Behaarung des Bogens und Deiner verwendeten Kolophoniumsorte.
Dann kommt die Geschichte wie Du mit den mechanischen Eigenschaften des Bogens zurecht kommst, was für den einen zu schwer / zu leicht erscheint muss für Dich noch lange nicht gelten. Sicher ist man sich da eh erst nach Stunden. Die Kriterien "springt gut" "liegt gut in der Hand" "kräftiger Ton" sind meist sehr vage und oft von Unzulänglichkeiten der eigenen Spieltechnik geprägt. - Es gibt BassistInnen die suchen und entdecken ihr ganzes Leben lang nach Bögen die noch besser springen, das aber nur weil sie eine ungünstige Bogentechnik spielen und diese durch einen Bogen des das ausgleicht kompensieren wollen.
Du merkst spätestens jetzt das die Geschichte nicht einfach ist wenn man sofort alles richtig machen will und einfach nur einen "guten Bogen" erkennen möchte. Solltest Du Anfängerin sein, brauchst Du unbedingt eine(n) erfahrene(n) BeraterIn Zeit und Geduld. Kontrabässe und Bögen sind keinen weit verbreiteten und immer auch sehr individuelle Produkte, Du kannst sie leider nicht im nächsten Supermarkt beziehen. Frohes Schaffen Roland