Silvio Dalla Torre
, 06.03.2005, 22:44:34
Hallo Philipp,
es freut mich, dass hier im Forum so kräftig diskutiert wird. Offenbar besteht ein Interesse daran, alternative Techniken auszuprobieren. Man kann natürlich, wie Sie, mit Gewichten experimentieren (besser ist allerdings Gardinen-Bleiband, das man einfach um die Bogenstange wickeln und befestigen kann), allerdings werden Sie damit nur einen ungefähren Eindruck vom Spielverhalten des schweren Bogens bekommen, weil
1. die Gewichtsverhältnisse anders sind. Das Gewicht muss im Holz, nicht auf dem Holz sein.
2. das Eisenholz an sich schon einen ganz anderen Klang erzeugt als Fernambuk oder Schlangenholz
3. das Kolophonium auch eine große Rolle spielt. Dadurch dass der Bogen schwer ist, müssen die Haare nicht mehr an die Saiten "geklebt" werden. Pops, Carlsson oder Nymans sind sehr weiche Kolophoniumsorten, die gute Klebeigenschaften haben, wie man ja weiß. Klanglich hat das weiche Kolophonium aber ziemliche Nachteile, weil es zu dem bekannten "Rauschen" führt, was mitverantwortlich ist für den typisch "nasalen" und leider dünnen Bassklang. Ich benutze Bernardel-Kolophonium. An das und die damit verbundenen anderen Spieleigenschaften muss man sich auch erst gewöhnen. (In Kombination mit einem leichten Bogen ist es übrigens nicht empfehlenswert, allenfalls als Beimischung)
2. die Armmuskulatur überhaupt nicht an die anderen Verhältnisse gewöhnt ist, was zu dem von Ihnen genannten "Erdrücken" des Tons führt. Gerade die Möglichkeit, den Klang "freizulassen" aber macht die Qualität des schweren Bogens aus. Diese Art der Klanggestaltung kann man aber, selbst bei bestem Willen, frühestens nach zwei bis drei Monaten realisieren.
Zum Spiccato kann ich sagen: es funktioniert erheblich besser als mit einem leichten Bogen, aber auch hier gilt, dass zu viel Aktivität kontraproduktiv ist. Bestimmt kennen Sie das Spiccato-Problem: viel Geräusch, wenig Ton. Dazu kommt, dass der geringe Klanganteil auch noch wenig tragfähig ist. Wir haben das im direkten Vergleich getestet. Das Ergebnis war, dass der schwere Bogen, vor allem auf die Distanz (und genau die ist ja entscheidend, denn wir machen Musik zwar auch für uns selbst, aber doch in erster Linie für das Publikum!)eine wesentlich bessere Klangprojektion erzeugt. Man hat damit einen sehr viel focussierteren, dichteren Klang.
Dazu kommt, dass man erst mit dem schweren Bogen ein wirkliches piano erzeugen kann. Das piano oder pianissimo des leichten Bogens ist zwar schön leise, aber, offen gesagt, überhaupt nicht mehr tragfähig.(Vielleicht haben Sie die Erfahrung im Zusammenspiel mit Klavier, oder noch deutlicher, mit Orchester, auch schon gemacht.) Wenn man mit einem konventionellen Bogen ein gutes piano erzeugen möchte, muss man nah am Steg spielen. Dies kann allerdings zu Problemen im linken Arm wegen einer hohen Körperspannung führen.
Ihr Experiment war sicher den Versuch wert, erwarten Sie aber nicht allzuviele Aufschlüsse davon. Wenn Sie, oder andere Forumsteilnehmer Fragen an mich haben, können Sie mir über meine Website schreiben. Sofern es mir möglich ist, helfe ich gerne weiter.
Mit besten Grüßen
SDT