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Kontrabaß im Fadenkreuz

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Uwe Profilseite von Uwe, 01.04.2011, 04:20:45
Kontrabaß im Fadenkreuz

Seit dem 15. Februar 2008 gilt die Lärmschutz-Richtlinie der EU. Sie schreibt den Grenzwert des zulässigen Schallpegels an jeder Art von Arbeitsplatz vor. Sie gilt mithin für Bauarbeiter genau so wie für Musiker. In Orchester und BigBand tauchten daraufhin Schallschutzwände und lineare Ohrstöpsel auf.

Eine neue EU-Richtlinie, die zum 1.4. 2013 in Kraft treten soll,  bezieht sich ausschließlich auf Musiker, bezahlte wie unbezahlte. Diesmal ist es die Sicherheit bei hoher elektrischer Feldstärke, die sich die EU-Bürokraten auf die Fahne geschrieben haben. Das Einfallstor der neuen Vorschrift sind die Kontrabässe. Die vier Saiten - manchmal sind es sogar fünf, und sie stehen fast senkrecht - sind ja so etwas wie nicht geerdete Blitzableiter von jeweils wenigstens 140 cm Länge. Zusammen sind das mindestens 5,60 Meter. Die Wickel am Wirbel sind der Ort maximaler Feldstärke. Messungen und praxisnahe Rechnungen lieferten dafür übereinstimmend Spitzenwerte von einigen 100 KV/m.  Der Bereich der Schnecke ist also durch Überschläge besonders gefährdet, besonders wenn die Luft trocken und durch heiße Musik schon vorionisiert ist.

Die in Brüssel vorgestellte Lösung ist einfach: Die Saiten sind zu erden. Gemäß der Richtlinie, die sich allerdings noch im Planungsstadium befindet, ist am Saitenhalter von Kontrabaß oder EUB eine Leitung mit höchstens 0,005 Ohm anzubringen, die mit den Saiten verbunden ist und an den Erdpunkt des Orchesters (O.G. = Orchestra´s Ground) geführt wird. 

Ich spare mir an dieser Stelle die Einzelheiten der Erdungsschaltung mit Potentialausgleichsschiene und Überspannungsableitern. An den O.G. sollen in späteren Phasen des Inkrafttretens nach und nach auch andere Instrumente angeschlossen werden, vorrangig die Harfen, ein Teil des Schlagzeuges und das tiefe Blech. Bei den Holzbläsern kommen die Saxophone nicht ungeschoren davon. 

Die Richtlinie soll für alle Musikformationen von der Combo bis zum großen Orchester gelten, die Kosten der Nachrüstung werden natürlich Kommunen, Musikschulen, Jazzkeller, Tonstudios, Kirchen und Ähnliches tragen müssen. Experten vermuten, daß der Anteil illegaler Konzerte steigen wird - auch weil der vorgeschriebene Instrumenten-Ableiter, als flexible Kupferleitung realisiert, bei 10 Metern Länge so dick und schwer ist wie ein Schweißkabel. Der Zustand der Anlage soll nach der Abnahme alle zwei Jahre überprüft werden.

Es ist zwar einzusehen, dass man den Kontrabaß erdet, bevor der Blitz die Schnecke sprengt. Aber die neue EU-Richtlinie sprengt ihrerseits auch alle Maßstäbe. Es ist außerdem unverständlich, dass Bässe mit Darmsaiten oder Weedwhackers ebenfalls zu erden sein sollen. 

 

Uwe

 
alexhaas Profilseite von alexhaas, 01.04.2011, 09:26:17

 Das ist interessant...

bei uns in München ist das schon seit einem Jahr Thema - natürlich nur intern. Mit Details, wie Du sie lieferst, kann ich nicht aufwarten, aber ich habe recht gute Kontakte zum Kulturreferat, das mit der Durchführung dieser Richtlinie verantwortlich ist. 

Bei uns ist ja im Gespräch, die Philharmonie umzubauen, hauptsächlich um das Symphonieorchester des Bayrischen Rundfunks auch dort aufzunehmen. In diesem Rahmen ist im Gespräch, einen neuen Saal IN die Philharmonie zu bauen - stand in der SZ - sowie einen Proberaum in den Carl-Orff-Saal einzupassen. In diesem Rahmen wird natürlich auch die Erdung der Instrumente gleich mitbedacht. So weit ich weiß, werden Bässe umgebaut, es wird kein Gummifuß mehr verwendet und das Kabel wird durch den Korpus geführt. Ist natürlich ne edle Lösung, aber wir in München haben ja Geld... Bei den Harfen ist es ähnlich, aber bei den Bläsern habe ich keine Ahnung, wie die das realisieren wollen. Es geht das Gerücht, daß die - von Dir schon beschriebene - vorionisierte Luft genutzt werden soll. Aber das ist alles noch Zukunftsmusik.

Trotzdem sollte man diese Entwicklung wachsam im Blick behalten...

viele Grüße
Alex

 

 

denisdn Profilseite von denisdn, 01.04.2011, 09:50:09

April, April......, oder?

Uli Profilseite von Uli, 01.04.2011, 21:25:04

 Auch wenn heute der 1. April ist: Den EU-rokraten traue ich das zu. Nur in den USA ist alles noch verrückter.

DrJohn Profilseite von DrJohn, 01.04.2011, 10:16:54

Ich habe schon seit einiger Zeit einen kleinen Akku an meinen Bass angeschlossen - (+)-Pol bei der G-Saite, (-)-Pol bei der E-Saite. Durch regelmäßiges Proben zusammen mit einem Stromgitarristen schaffe ich es, ihn innerhalb weniger Stunden zu laden. Die gewonnene Energie kann man dann z.B. für eine Notenständer-LED-Beleuchtung nutzen. Im süddeutschen Raum gibt es bereits eine Petition beruflicher und freischaffender Kontrabassisten, die aus Energierückgewinnungseffizienzgründen Darmsaiten verbieten lassen wollen.

jhbass Profilseite von jhbass, 01.04.2011, 11:46:06

 Mich würde mal interresieren, ob die Eu Richtlinie nur für Open Air Veranstaltungen oder auch für Clubs gilt? Müsste dann nicht auch das Drumset geerdet werden? Da es ja auch zu hohen Prozentsatz aus Leitfähigen Materalien besteht.

Ceperito Profilseite von Ceperito, 01.04.2011, 12:29:54

Also diese Realitäts-fernen Bürokraten aus Brüssel machen das mal wieder viel zu umständlich und zu Kosten-aufwendig.
Eine effziente Lösung wäre, den Dirigenten an eine etwa vier Meter hohe Stahlstange zu binden.
Im Falle eines Blitzschlags (merke: der Blitz sucht sich gerne die höchste Stelle zum Einschlag) wäre das Orchester gut geschützt und der Sicherheits- und Kostenaufwand minimal.

Die Herren von der EU sollten sich dringend ein paar Berater aus der Atom-Lobby ins Boot holen, dann werden die zukünftigen Richtlinien sauberer und billiger   und tragen - bei längerer erfolgsorientierter Zusammenarbeit - auch (sozusagen als ungeplanter Nebeneffekt) wesentlich zur Veringerung der globalen Population bei.

Damit könnte die EU auch mal beweisen, daß sie mit strahlender Nachhaltigkeit wirtschaften kann.

Schwyzer Profilseite von Schwyzer, 01.04.2011, 14:23:11

 Ich nehme an, die Schweizer, obwohl nicht EU-Mitglied, werden die neuen Richtlinien in vorauseilendem Gehorsam bereits am 1.4. 2012 in Kraft setzen, allenfalls versuchsweise im grenznahen Stadttheater Basel.

Uwe Profilseite von Uwe, 02.04.2011, 04:13:18

Zum Eröffnungsbeitrag dieses Thread:

Die blinde Regelungswut der hochbezahlten Brüsseler Bürokratie musste ich mir nicht aus den Fingern saugen. Die technische Realisierung nach dem Stand der Technik habe ich – wie ich meine -  realistisch beschrieben, ebenfalls einige Auswirkungen auf den Musikbetrieb.

Allerdings war die physikalische Herleitung so hanebüchen, dass ich viel fachterminologisches Geschwätz spendieren musste, um das zu kaschieren. Es  hat natürlich trotzdem nicht geklappt.

Ich danke allen Mitdiskutierern, und bitte diejenigen, die missvergnügt die Stirn gerunzelt haben, um Entschuldigung. Die anderen nicht.

 

Gruß, Uwe

W.R.Schwarzburger Profilseite von , 02.04.2011, 11:34:48

Es ist erfreulich, dass die Damen und Herren in Brüssel jetzt Zeit gefunden haben für lange überfällige Maßnahmen gegen eins der drängensten Probleme von uns Kontrabassisten. Die fast alltäglichen Meldungen in den Nachrichten über Kontrabassisten, die während der Ausübung ihrer Tätigkeit vom Blitz erschlagen worden sind, dürften damit endlich der Vergangenheit angehören.

Gut so.

Neuester Beitrag Bigsby Profilseite von HannoBass, 02.04.2011, 21:37:30

 Sehr gut!

Ich freue mich schon auf den nächsten 1. April:-)

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