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Guten Abend!
War jemand von euch in diesem oder in den vergangenen Jahren 'mal auf dem Jazzworkshop in Erlangen und wenn ja:
Lohnt sich das angesichts der üppigen Gebühren?
Mich erschreckt auch die hohe Teilnehmerzahl, dieses Jahr sollen es ca. 140 Leutchen gewesen sein.
Ich wäre dankbar für einen Erfahrungsbericht!
Gruß, Tommel
Hallo Tommel,
ich war zwar nie in Erlangen, aber mehrmals von Joe Viera nach Burghausen eingeladen. Ich weiß nicht genau, wieviele Teilnehmer dort waren. Was Dich interessieren sollte, ist das Verhältnis von Teilnehmer zu Dozentenanzahl. Du kannst damit rechnen, daß bei einem Verhältnis >5 die Combo-Arbeit für die Rhythmusgruppe anstrengend und nervig wird. Oftmals wird die Rhythmusgruppe als Jamey-Aebersold-Imitat für Solisten mißbraucht (wie bei Sessions üblich), was ich mir freiwillig nicht antun würde. Ansonsten sind die Feedbacks auf der Homepage ja positiv, falls sie nicht selektiert sind.
Gruß
Jörn
Hallo Tommel,
persönlich war ich auch noch nicht da, aber ich kenne einen Bassisten, der schon mit 14 als Wunderkind am Bass (allerdings E-Bass) galt und mittlerweile in Köln studiert- der hat mir den Workshop mal wärmstens empfohlen. Für mich jedenfalls eine starke Referenz.
Ciao,
Max
Hallo,
ich war vor ca. 20 Jahren das letzte Mal bei diesem Workshop dabei und bei den allerersten vor fast dreißig Jahren - wahrscheinlich hat sich in der "kurzen" Zeit wenig verändert ;-)
Es ist halt das Problem, dass naturbedingt zu viele Bassisten und Schlagzeuger da sind - eine Band kann halt locker 3 Bläser vertragen und 5 Sänger, aber mit dem Doppeln der Bassstimme haben wir so unsere Probleme....
In jedem Fall trifft man bei so einem Workshop viele dufte Leute, Dozenten und "Studenten" gleichermaßen -- dafür lohnt es sich schon, hinzugehen. Das Einstudieren von Stücken unter professioneller Anleitung fand ich hilfreich. Mit den angebotenen "Theorie-Kursen" konnte ich allerdings nichts anfangen - aber mit Skalen kann ich persönlich nicht -- ich denke in Dur und Moll und nicht in mixolydisch etc....
Manni
hm, immer eine Frage des Ausgangspunktes- ich habe ursprünglich rein klassischen KB- Unterricht bekommen und kannte nur Dur und Moll, bis ich mit Jazz anfing und irgendwann auf das modale Konzept stieß; dann habe ich lange versucht, in Skalen zu denken und es nicht gebacken bekommen, bis mir ein Dozent auf einem Jazzworkshop (einem anderen) die Augen öffnete, indem er aus dem Leadsheet eines Standards erst mal die Hälfte der Akkorde rausstrich (wohlgemerkt fürs Solo, nicht für das Thema)- und plötzlich funktionierte das ganze. für mich war es insofern schon sehr hilfreich.
Hallo max,
auch wenn das das Thema dieses Beitrages verlässt.... Ich kenne die Skalen und weiss um die Eigenheiten des modalen Spiels. Aber grundsätzlich birgt ein Denken in Skalen die Gefahr, dass man sich Akkord für Akkord mit je einer Skala rauf und runter rettet, ohne einen Sinn für die akkordübergreifende Tonart und Melodie zu bekommen. Außerdem kann man die passenden Skalen ja nur erkennen, wenn man die Tonarten erkennt, in denen ein Akkord vorkommt - z.B. ist bei Cmaj entweder ionisch (weil in C-Dur) oder lydisch (wenn in F-Dur) zu spielen. Ich finde es da einfacher, mir die Tonart zu merken, in der ich gerade bin. Aber tatsächlich kann man manchmal mit einer skalenorientierten Denkweise auch gut zurechtkommen. Wie oben gesagt: meines ist es irgendwie nicht.
Wenn Du von diesem Jazz-Workshop-Dozent sagst, er hätte die Hälfte der Akkorde rausgestrichen - reduzierte er das Ganze dann nicht doch eigentlich auf die zugrundeliegenden Tonarten (bzw. vielleicht die "IIm7 V7"-Verbindungen, die ja auch die Tonart anzeigen?
Manni
Meine These ist ja die folgende: Die Skalentheorie ist der Versuch von Jazz-Theoretikern, das formal zu erfassen und zu analysieren, was Bebop-Musiker gespielt haben. Man kann das ungefähr mit der lateinischen Grammatik vergleichen, die ja auch erst nachträglich anhand der Literatur (vor allem Cicero) erstellt wurde. Insbesondere bedeutet das, dass viele Musiker eben nicht über Skalen nachgedacht haben, wenn sie darüber spielen, sondern einfach sich und anderen zugehört haben, um selbst herauszufinden, was gut klingt. Dieser Ansatz ist m.E. (zunächst, s. Ausführungen weiter unten) am besten geeignet, um das Solo-Spiel zu lernen. Es führt generell zu viel melodischeren und stimmigeren Solos als der Skalenansatz (vergleiche Chet Baker, der bekannterweise keine [explizite] Ahnung von der ganzen Theorie hatte), aber: er kostet viel mehr Zeit, nämlich jahrelanges Hör-Training. Deshalb ist die Skalentheorie auch so populär, weil man sich da formal-strukturelles Wissen innerhalb weniger Monate aneignen kann (im Lateinunterricht lernt man ja auch erst die Grammatik und übersetzt dann, nicht umgekehrt) und das Ganze gezielt und mechanisch üben kann. Leider hören sich solche Solisten dann auch oft so an: mechanisch. (Man kann auch ohne weiteres Computer programmieren, die so spielen, s. Band-in-a-Box, Solist-Funktion). Also Leute, trainiert Eure Ohren: Improvisiert, soviel Ihr könnt, ruhig auch zu Pop-Musik aus dem Radio, singt (alles, was man singen kann, hat man wirklich verinnerlicht)... Das ist meiner Meinung nach der nachhaltigste Ansatz.
Disclaimer :-) : Natürlich weiß ich, dass spätere Musiker (z.B. Coltrane) gezielt die Skalen-Theorie entwickelt und erweitert haben (symmetrische Skalen, etc.), um aus ihren gewohnten Mustern auszubrechen. Ich bin also keineswegs ein Gegner der Skalentheorie. Aber ich finde, Anfänger werden damit oft überfrachtet.
Und nochwas: Einen ganz anderen, sehr schlüssigen Ansatz hat übrigens Onkel Willie.
Guten Abend allerseits...
ich war auch vor ziemlich langer Zeit in Erlangen, mehrere Male. Wenn es auch nur in Ansätzen noch so wie damals ist, kann ich das ganze nur doppelt und dreifach empfehlen. (Vom Preis-/Leistungsverhältnis hab ich allerdings keine Ahnung. Es kann sein, daß es wirklich zu teuer ist - aber ich weiß nicht, was andere Workshops bieten...).
In Erlangen hat man auf jeden Fall von Morgens bis Morgens die Möglichkeit, Musik zu machen. Mit und ohne Dozent. Es sind übrigens noch einige Lehrer aus meiner Zeit da - ziemliche Granaten. Wenn man ne Combo bei Peter O´Mara macht, bringts das schon (Wenn man sich für diese Art Musik interessiert natürlich. Aber es waren immer sehr verschiedene Workshops da. Vom Semiprofi-Hardcore-Checker-Workshop für Angeber über Bebop ohne Noten nur mit Hören (hat Alan Praskin gemacht - Wahnsinn!) bis zum Freejazzkurs. Und zwischendurch Jamsessions irgendwo in der Jugendherberge und dann am Abend im E-Werk (ich fand es immer vorteilhaft, wenn viele Leute bei Workshops waren - da wird auch viel gespielt!).
Und die Kurse natürlich. Man kriegt natürlich in einer Woche nicht den kompletten Überblick über alle Theorien in Jazz etc... Aber einen ziemlich guten Start, wenn man es schafft, das alles zu verdauen und mitzuschreiben. Einzelne Theorien sind eh nicht das Gelbe vom Ei.
Nach einer gewissen Zeit im Umgang mit dem ganzen Skalen- und Akkordtheoretischen Gedöns kommt man meiner Erfahrung nach eher auf eine Mischform. Charlie Parker hat sicherlich nicht nur "gehört" - der unwissende, aber weise Ureinwohner ist da definitiv eine Legende. Fats Navarro hat mal nen Job als Solist gehabt und die Jungs aus der Big Band waren neidisch darüber, daß er so viel Kohle bekommen hat, nur fürs Solospielen. Als er das mitbekommen hat, hat er sich einen Abend in die Sektion gestellt und ohne Fehler mitgespielt. Auch Mingus und Clifford Brown waren so Kandidaten. Die konnten das alle richtig gut... Sie haben den ganzen "So.gehts-richtig"-Schmarrn nur komplett durch den Wolf gedreht. Und dann muß man natürlich anders spielen und sich aus dem Fenster lehnen...Aber die Mischung von Akkordbrechungen, Skalen, chromatischen Überfliegereien, In- und Outspiel, die es schon im Bebop gab, kann man sich schon draufschaffen.
Und die Jungs in Erlangen haben schon ziemlich Ahnung davon. Man kommt auch da nicht nach Haus und hat die Weisheit mit Löffeln gefressen, aber es wird sicher eine ziemlich gute Basis vermittelt, um sich zuhause mit den amtlichen Harmonielehrebüchern und so weiter fortzubilden. Das geht leider nicht ohne. Und wenn Du einen guten Jazzbassisten in deiner Gegend kennst, frag ihn doch mal, was er so tut, wenn er dies und jenes spielt...
Grüße, Alex
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