@ Harami: Danke! :-)
Palatino, Teil I
Vorbemerkungen:
1.) Den versprochenen Bericht kann ich nicht liefern – vielmehr dürfte die "Palatino-Story" zur Fortsetzungsgeschichte werden.
2.) Ich bin der schlechteste Bassist, den ich kenne – aber das Bassieren ist nun mal das Einzige, was ich gelernt habe, drum muss ich meine Brötchen damit verdienen.
3.) Daraus folgt, dass ich überwiegend als Solist (im Duo mit Saxofonistin) tätig bin, und sich mein Bass im Hinblick auf die Gagen nicht in einen Klavier-Drums-Brei mischen kann, sondern exponiert auf weiter Flur steht – als Kombination aus Bass, Rhythmus und Harmonie. Deshalb meine relativ hohen Ansprüche an die Klangqualität.
4.) Ich bin derzeit genau 200 km zu weit von meinem Geigenbauer entfernt – auf Deutsch: ein Achttausender ohne Sauerstoff Dreck dagegen …
Nun also zum Palatino VE-500:
In den ersten 12 Stunden gab es für mich nur eine Frage: "Sende ich ihn morgen Vormittag zurück oder erst am Nachmittag?"
Denn es schien unmöglich, diesem Bass Basstöne zu entlocken. Vier verschiedene Amps scheiterten kläglich daran. Und selbst wenn 250 Watt Bassanhebung endlich ein wenig Fundament schufen, dominierte trotz differenziertem Equalizing die G-Saite (die übrigen Saiten bezeichnete ich als Komplimentärsaiten …).
Den ersten Hoffnungsschimmer brachte eine versuchsweise aufgezogene alte A-Saite von Pirastro: plötzlich hat der Bass Bass … Den nach einem überfressenen Cello-Steg aussehenden kleinen Palatino-Steg extrem Richtung Saitenhalter gewinkelt brachte das zweite Aha-Erlebnis.
Das aktive PU-Sytem liefert übrigens weniger Saft als passive. A propos: meine anderen Steg-PUs konnte ich nicht verwenden, weil in Saitennähe einfach nichts schwingt, was verstärkt werden könnte, bzw. zu wenig Platz vorhanden ist.
Irgendwie aber hatte ich mich schon leicht in den Palatino-Look verliebt … Wie kann ein so hübsches, die Bass- bzw. Gambenformen berücksichtigendes Instrument so grauenvoll klingen? Von Liebe auf den ersten Blick kann also keine Rede sein – aber vor der Scheidung (Rückgabe, Verkauf) wollte ich ihm zumindest ausgiebig unter das Röckchen gucken, ob da nicht tief verborgen Schätze schlummern …
12 Stunden also. Inzwischen sind es 4 Tage …
Von Kopf bis Fuß:
Die Schnecke (eigentlich ein zu klein geratener Schnecken-Rohling) vermittelt Kontrabass-Gefühle. Die leider schwarz eloxierte Mechanik detto. Leider kann der Palatino nicht auf dem Rücken liegen, weil der Hinterkopf nicht den Boden berührt, sondern die Flügel (Verstimmung und Zerkratzung im besten Fall, Verbiegen oder Bruch im schlimmsten).
Der Hals ist erfreulicherweise nicht lackiert. Das sorgt für ein angenehmes Spielgefühl vom ersten Tag an. Solange mensch in den "Orchesterlagen" bleibt, denn die (KB-lange) Mensur ist knallhart: spätestens für das Greifen des 1. Obertons (3. Finger) muss der Daumen seine sichere Position verlassen – was angesichts der Instabilität mangels Berührungspunkten ein riskantes Unterfangen ist.
Der Bügel (der den fehlenden Korpus simuliert) wirkt solide und zuverlässig.
Der kleine dicke Steg muss viel ertragen, denn der Palatino muss im Liegen wohl oder übel immer wieder mal zur Seite kippen – genau auf den Steg. Autsch.
Das PU-System werde ich früher oder später mal modifizieren:
Der Kopfhörer-Verstärker ist mehr als entbehrlich – besser wäre es, den winzigen Power-Schalter mit dauerleuchtender LED zu umgehen und das PU-System mit Hilfe der Klinkenbuchse ein- u. auszuschalten (wie bei anderen aktiven Systemen üblich).
Sehr lobenswert finde ich, dass der Palatino von Kopf bis Fuß schwingt – und diese Schwingungen kräftig auf alle Finger und die Leistengegend des/der Spielenden überträgt. Korpus, Saitenhalter – alles schwingt. Bis hin zum Stachel.
Stachel also: Die überaus kräftige Montage darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Palatino dennoch mit einem Rutsch im Keller sitzt – festes Anziehen empfiehlt sich unbedingt (ich ventiliere eine Art Sicherungs-Splint, denn auf der Bühne im Knien weiter zu spielen erhöht die Gage nicht unbedingt). Der Stachel fungiert aber in erster Linie als Stanze: In kürzester Zeit habe ich es geschafft, in zwei Räumen unzählige tiefe Löcher in den Holzboden zu stanzen. Aber hier ist die Lösung einfacher und billiger als beim Kontrabass: Gummi-Stoppel, die für Krücken verwendet werden, passen haargenau – es gibt sie in vielen Formen und Größen, und sie kosten fast nichts (verglichen mit den US-Kugeln für den KB).
Beim Saitenhalter allerdings überfallen mich längst verdrängte Erlebnisse: Mein Meisterbass war ursprünglich mit einigen Novitäten behaftet. Eine dieser glorreichen Neuerungen war ein extrem dünner Saitenhalter und ein extrem dünner Draht. Weil das für die Resonanz gut ist. Das war auch tatsächlich eine gute Resonanz, als der dünne Draht nächtens riss, den dünnen Saitenhalter quer durch´s Zimmer schleuderte und in tausend Stücke brach. Seither schwingt der Meisterbass ohne Meisterdraht – auch ganz gut.
Ich hoffe, dass meine Traumata angesichts des Palatino sich nicht wiederholen:
An einer dünnen Ausformung der Zarge ist mit einer einzigen dünnen Gewindeschraube ein dünnes Blättchen montiert, das den Saitenhalter hält, der aus dünnem Draht Lyra-ähnlich geformt ist. Die Werks-Saiten haben ja nicht viel Spannung, aber wenn hier mal ein strammerer Bezug … Schutzbrille.
Noch schnell zur Tasche:
passt wie angegossen, ein großes Außenfach, das auch den Bügel aufnimmt.
Die Tragegurte sind leicht kopflastig montiert, was bei Wüstenwanderungen weniger stört, da aber KontrabassistInnen prinzipiell auf engen Wendeltreppen wandeln …
Und zur Haltung:
Wie oben erwähnt, "übe" ich seit Wochen die "Ein-Punkt-Haltung im Stehen", was sich bezahlt macht, da der Palatino … sagen wir mal so: Beim Stimmen hält eine Hand den Bogen, die zweite Hand dreht an den Wirbeln, und die dritte Hand hält das Instrument.
Aber das ist nur Übungssache – ich bin schwer auf dem Weg zur Besserung.
Nun also mein vorläufiges Resumee:
Was ich bisher verschwiegen habe, ist der Klang beim Arcospiel:
Mit Sicherheit habe ich die Mehrzahl der jemals geborenen Tonabnehmer/Mikrofon-Systeme gekauft, gespielt – und wieder verworfen.
Der gestrichene Palatino stellt nicht nur alles in den Schatten, was ich mir jemals am Kontrabass erträumt habe, sondern entfaltet unter dem Bogen einen Ton … mit samtig-weichem Timbre reagiert er auf kleinste Nuancen der Finger und der Bogenhand, jede bogentechnische Finesse quittiert er mit sanftem Wohlklang, verdutzt blickt mensch nach unten, ob hier tatsächlich ein körperloses elektrisches Instrument werkt! Das ist unglaublich und sensationell! Das tönt nicht nur, das jubelt! Begeistert kramt mensch nach Literatur, spielt bis zum Ende des Griffbretts, schwelgt jenseits von Raum und Zeit, und lässt die Geige singen.
Einschränkungen leider: auf der E-Saite wird wegen des rechten Knies der Bogen auf ein Frosch-Drittel reduziert, wer sich solistisch in die G-Saite verbeißt, streicht den Klinkenstecker mit, zweistimmig, fädelt unter dem Kabel ein, beginnt zu stricken.
Aber auch hier meine ich: Übungssache. Dass der Eifer schon mal drei Saiten erwischt, liegt an der unzureichenden Steg-Rundung. Geigenbauersache.
Was also ist der Palatino?
Liebe auf den ersten Blick? - Sicher nicht.
Ein wenig verliebt? - Vielleicht.
Eine große Zukunft für die Lebensgemeinschaft? - Vermutlich.