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Immer wieder bekomme ich zu hören, dass ich als Jazz-Bassist für das Tempo zuständig sei.
Das nervt, weil ja auch niemand in der Bigband oder in der Combo ist, den man für miserable Disharmonien verantwortlich machen könnte.
Ich bin der Meinung, dass alle dazu beitragen und jeder seinen Teil trägt - auch wenn mich alle überstimmen und einen Sündenbock finden.
Klar, dass beim Walking-Bass die Viertel wie ein Metronom laufen sollten mit der Betonung auf 2 und 4. Aber genügt das, um allein verantwortlich für das Tempo zu sein?
Her mit Euern Argumenten. Danke!
Man macht doch gemeinsam Musik!
Jeder einzelne sollte also gefälligst die Verantwortung für´s Tempo/Timing übernehmen. Wenn man dazu auch mal gelegentlich den Mitmusikern zuhört, kann ja eigentlich nicht mehr viel schief gehen.
Als Bassist hat man natürlich mehr Einfluss auf´s Tempo, als zb der Saxophonist.Man spielt halt meistens durch. Aber wenn der Bass mal aussetzt, sollte nicht gleich die ganze Band auseinanderfallen.
Sehe das genauso - alle sind verantwortlich. Die Cruz ist, das gegebene Tempo einfach zu akzeptieren, und dabei locker zu sein. Oft haben die Leute ein anderes Tempo im Kopf, und dann krampft alles.
Wenn die in deiner Big Band allerdings da immer so drauf rumreiten: Kann vielleicht der Wurm ganz woanders liegen? Meiner Ansicht nach sollte man in jedem Tempo gut spielen koennen - also hoert es sich wie eine faule Ausrede an, wenn angeblich das Tempo nicht richtig war.
Naja wenn nach Ansicht der anderen du alleine das Tempo vorgibts, dann können ja nur die anderen schief liegen wenn es nicht zusammen geht weil du ja dann der Maßstab bist. Oder gefällt den anderen das Tempo nicht, das du vorgibts? Oder was genau ist eigentlich das Problem?
Denke auch, daß Musik nur zusammen funktioniert..also, es sollte grooven! Aber DIE HAUPTVERANTWORTUNG hat ganz klar der DRUMMER! Wenn einer da ist.! Schließlich hat der den KLICK im Ohr..hähä!
So ist es. Und den Drummer kann man mit dem Bass herrlich jagen :)
Das geht hier ein bisschen durcheinander, da nicht ganz klar ist, ob es um die Vorgabe des Tempos zu Beginn eines Stücks oder um das Durchhalten dieses Tempos im Verlauf des Stücks geht. Wohl eher um Letzteres. Und da bin ich der Meinung, das das die gemeinsame Haupt-Verantwortung von Drummer und Bassist ist.
Hallo,
möchte das Thema nochmals aufgreifen!
Wie sollten Drum und Bass beim Jazz/Swing zusammenspielen. Soll der Basser sich auf die HiHat ( 2 und 4 ) oder das Ride konzentrieren. Hinter, drauf oder davor spielen. Gibt es da überhaupt eine Regel ???
Hoffe auf gute Tipps von Euch.
Gruß,Alwin
Außer, dass es zwingend swingen muss, gibt's leider/ zum Glück keine Regel: Du kannst deinen Basston genau "drauf" setzen, ein Tickchen vor oder hinter dem Beat spielen, das ist abhängig von der Stilistik, vom Geschmack und vom Charakter der Musiker. "Bluesig" klingst du eher, wenn du sog. "laid back", also etwas hinter dem Beat mit breitem, schweren Ton spielst, im Bopbereich allgemein mit Betonung auf 2 und 4, bei 3/4 eher auf der 2. Wenn du einen "Schlaffzeuger" wie einen Sack Schrauben hinter dir her ziehen musst, ist das zwar anstrengend, aber man sollte da nie nachlassen, sondern die Verantwortung übernehmen. Je tighter du bist, desto tighter die rhythm section, desto tighter die ganze Band. Ich würde mich in erster Linie darauf konzentrieren selber gut zu grooven, statt sich auf Ride oder HiHat zu konzentrieren. Sollst es da zu "Differenzen" kommen, merkst du das schon. Und manchmal ist es auch ein Solist, der eine ganze Band zieht. Ich kann mich erinnern, dass wir als junge Jazzer mal einen Gig in einem Club hatten. An der Musikhochschule hatte Wynton Marsalis tagsüber einen Workshop gegeben, kam abends tatsächlich vorbei und stieg für ein paar Stücke mit ein! Man kann nun über Wynton viel (und zu Recht) Negatives berichten, aber wenn er spielte, groovte die ganze Band gleich fünf mal so gut.
Alle sind für das Timing verantwortlich. Ich bin vor Kurzem aus einer Tangoband mit Geige, Gitarre und Gesang, Piano und Baß ausgestiegen. Das Timing von Piano und Gesang war eine Katastrophe. Nach den Intros ging es jedesmal in das selbe höhere Tempo, insbesondere wenn die Jungs bei Konzerten auch noch etwas flatterig waren. Da konnte ich als Bassist nichts mehr machen.
Zwei Weisheiten, die ich von anderen Musikern bekommen habe:
1. Weisheit von einem Saxophonisten: Das Anzählen ist extrem wichtig und sehr unterschätzt. Anzählen gibt nicht nur das Tempo, sondern auch das Feeling vor. Ich singe meistens ein paar Takte vom Thema vor und schnippe. Wenn ein fetter Blues angesagt ist, muß ich auch fett anzählen. Ein großer Unterschied zwischen guten und schlechten Musikern ist die Präsenz; das wirkt sich beim Anzählen schon aus. Schlechte Musiker können auch kein Tempo übernehmen (siehe Kommentar von Baßtölpel). Ein Paradebeispiel ist Edith Piaf. Auf der Aufnahme von Sous le Ciel de Paris gibt es ein lyrisches Intro, Edith Piaf setzt in einem anderen Tempo ein und die Band muß mit. Innerhalb von ein paar Takten ist die Band vielleicht ein Drittel schneller.
2. Weisheit von einem Schlagzeuger: Das ganze Stück lang das Feeling beibehalten. Wenn man die ganze Zeit denkt: fetter Blues, schwankt man ohnehin nicht so stark. Es ist sauschwer, nicht im Timing nach vorne zu gehen, wenn die ganze Band in der Dynamik nach oben geht, und umgekehrt. Auch ist wichtig zu wissen, daß man nicht unbedingt kontinuierlich langsamer oder schneller wird, sondern bei Teilwechseln, zb. von Halben in Walking, Swing in Latin oder Ähnliches.
Timing ist eine Frage der Souveränität. Ich habe in den letzten Jahren daran gearbeitet, die Hektik aus der Musik zu bekommen. Im Standardjazz ist es jetzt straighter, neulich war ich aber mit einem Trio ohne Probe im Studio, die Band hatte noch nie zusammen gespielt, und mußte Uptempofusionlatin spielen. Darin war ich nicht souverän, zumal ich auch noch mit den Stücken zu kämpfen hatte. Als ich die Aufnahme dann gehört habe, dachte ich, der Bassist sitzt im ICE (ohne Bahnstreik). Das war mir regelrecht peinlich, wie ich beim Timing abschmiere, wenn die entsprechende Musik mir nicht liegt. So einen Job würde ich nicht nochmal annehmen.
Hey, also in meiner Jazzband spielt der Drummer mit Click! Er hat sich ein Metronom mit Anzeige unter die Hi-Hat gebaut und schaut auf die Zeiger und das Blinklicht (natürlich alles ohne Ton). Dadurch ist das Tempo für jeden Song von Beginn an klar und wären des Songs schwankt es auch nicht weil er immer darauf schaut und es überprüft. Doch es klingt nicht steril weil es kein "Click-im-Ohr" wie in der Rockband oder so ist. Das funktioniert super! Einziger Nachteil der aber zu verkrapften ist: Der Drummer muss den Song einzählen. Aber das ist zu überleben.
Ansonsten würde ich natürlich sagen alle, doch der Bassist ein wenig mehr als die anderen, wobei das bei den verschiedenen Stilen ja auch unterschiedlich ist.
Zitat "Jeder einzelne sollte also gefälligst die Verantwortung für´s Tempo/Timing übernehmen. " Denk ich auch aber:
Ich spiel in einer Swing-Band, wo der der Schlagzuger gerne durch Vorzeiehen einzelner Schläge betont.
Er wartet dann aber nicht auf das Timing bis zum nächsten Schlag, sondern spielt spielt weiter als wenn die Note im Takt gewesen wäre... Resultat: Beschleunigung.
Ich hab mir Rat bei einem sehr erfahrenen Alrounder gesucht: seine Antwort:
wenn der Drummer beschleunigt, kannst du als Bassist nichts dagegen tun ausser ihn bös anschauen - vielleicht merkt er es...
Ich versuch nun dem Bassisten zu erklären was er anstellt, hoffentlich begreift er's...
Wenn der Drummer beschleunigt, ist es wirklich schwierig (und auch nahezu sinnlos) dagegen anzukämpfen.
Es gibt aber auch Beispiele, wo der Drummer z.b. sehr weit vorne spielt, und der Bass spielt "drauf". Bestes Beispiel: Ron Carter und Tony Williams. Groovt trotzdem ziemlich geil.
Zu dem Thema hab ich zwei interessante Statements...
Ein Freund von mir ist Musikjournalist und - ausser daß er Millionen Jazzplatten zuhaus hat - besitzt ein ausserordentlich großes Wissen über diverse Dinge, die mit Jazz zu tun haben. Er hat mal gesagt, daß in den großen Aufnahmen der Swing-Ära die Stücke im Schnitt 15% schneller werden. Vom ersten bis zum letzten Ton. Er hat nicht jeden Titel genannt, ich denke aber mal, es geht um die großen Big-Bands, was weiß ich, Ellington, Lunceford, Basie etc, die Bands, die unter anderem auch fürs richtig gute Swingen berühmt waren. Das Tempohalten als absoluter Wert ist demzufolge also eher ein Götze als wirklich relevant. Auf diesem Niveau wohlgemerkt. Aber ich denke, daß ein Click - so leid es mir tut - der Tod jeder Liveperformance ist. Es gibt eine wirklich gute Aufnahme von "Willow weep for me" mit Wynton Kelly, am Bass ist Paul Chambers. Wunderschön, nur werden die Jungs ungefähr doppelt so langsam. Innerhalb von 7-8 Minuten. Und man merkts nicht. Weils nicht wichtig ist. In dem Fall. Und wenn mann keine Time hat, hilft ein Metronom auch nicht, da meiner Meinung nach eine entspannte (oder gespannte - je nach Musik) Binnentime, also, der Swing, das Verhältnis von einer Note zur nächsten, wichtiger ist als das exakte Tempohalten a la Metronom. Wenn das Binnentiming gut ist, kann das Spieltempo auch mal differieren.
Und da wäre ich schon beim zweiten Statement: Mingus hat mal gesagt, daß das Timing in seiner Band weniger ein sich bewegender Punkt als ein unscharfes Wölkchen wäre (genau weiß ich seine Worte leider nicht mehr), daß also Schlagzeuger und Bass nicht unbedingt auf dem selben Punkt sein müssen. Er und seine Schlagzeuger haben sich eher in einem Timegefühl bewegt, mal war der eine etwas weiter vorn, mal war er hinten. Aber so richtig schlecht klingen die Mingusaufnahmen doch deswegen nicht, denke ich?
das Mingus-Statement gefällt mir ausserordentlich gut und auch da steckt ja die oben erwähnte Relativierung der "Time an sich" drin.... mir hat vor "langer Zeit" mal der Leiter einer Big Band, in der ich zu der Zeit Bass gespielt habe, auf die Frage nach der "Verantwortlichkeit" und dem Zusammenspiel zwischen Bass und Schlagzeug geantwortet, dass aus seiner Wahrnehmung Bass und Drums jederzeit auf "denselben Punkt" gespielt eher langweilig sind Für ihn waren es gerade die Unterschiede in der "Mikro-Time", die es spannend gemacht haben. Und er hat eine Reihe von BigBand-Aufnahmen zitiert, in denen der Bass ziemlich nach vorn spielt und das Schlagzeug gleichzeitig "laid-back" dabei ist..... und die "trotzdem" (oder gerade deswegen?!?) "unendlich grooven"....was Herr Mingus sicherleich bestätigen würde.. und was ihn auch "belegt"
Sehr guter Punkt. Ich habe mal in irgendeiner Jazz-Schule eine ähnliche Betrachtung gelesen: der Autor hatte zahlreiche "amtliche Aufnahmen" nachgemessen und war ebenfalls zu dem Ergebnis gekommen, das auch unsere großen Vorbilder beträchtliche Temposchwankungen an den Tag legen. Ich glaube, es steht in der Jazzrhythmik-Schule von Joe Viera.
Ansonsten teile ich die Meinung, dass nicht einer einzelner Musiker bzw. gar der Bassist für das Tempo alleine verantwortlich sein kann. Wenn die anderen nicht mitziehen, geht gar nichts, da kann man sich noch so anstrengen. Man kann nicht sehr lange "gegen" die Band spielen.
Zudem gibt es noch den Fall des "rechthaberischen" Spielens. Ich kenne da so einen Drummer, der manchmal bewusst gegen die Band spielt, wenn er wahrnimmt oder wahrzunehmen glaubt, dass das Tempo sich ungut entwickelt. Wenn er schlecht gelaunt ist, tut er das dann nicht auf eine elastisch-elegante Art, die der Band helfen würde, sondern auf eine rechthaberisch-destruktive Art. Als wollte er damit sagen: "ist mir egal, was ihr da spielt – ich kenne das Stück nur in dem Tempo, in dem wir angefangen haben und damit basta, ihr Volltrottel, die ihr das Glück habt, mit mir spielen zu dürfen."
Meines Erachtens ist diese sklavische Unterwerfung unter eine durchgehaltene bpm- Zahl sowieso eher den Ansprüchen der Musikindustrie geschuldet als denen der Musik bzw der Musiker- Aufnahmen im Multitrackingverfahren setzen das Spiel auf Klick voraus (zumindest, wenn man sich nicht allzuviel Stress damit machen will), außerdem kann man so gegebenenfalls im Zuge irgendeiner Retrobewegung unter jeden geradtaktigen Track eine durchgehende Bassdrum mixen und den ganzen Kram ein zweites mal verkaufen.
Sehr guter Punkt.
Dieoben angesprochene freiere Tempoauffassung (z.B. Mingus) setzt natuerlich die Faehigkeit des (mehr oder weniger) metronomischen Time-Haltens voraus. Ich habe persoenlich die Erfahrung gemacht, wenn ich mal zufaellig mit extrem guten Leuten (gerade Drummern) auf Sessions zusammenspielte, dass es sich so aufuehlt als wuerde mir der Teppich unter der Fuessen rausgezogen. D.h. die freiere Spielweise, z.B. Drummer die nicht mehr straight Time spielen, sondern mit viel 'conviction' und Praezision um die Time herum, also dies bringt einen leicht raus wenn man noch nicht ein stark entwickeltes internes Timing hat.
Ansonsten ist das natuerlich auch eine Frage von Stilistik und Geschmack. Herr Bolzmeier waere da sicher fuer absolutes auf-den-Punkt spielen.
Ach ja, noch einer,
ich hab gerade nochmal die erste Frage durchgelesen:
Ich bin mir nicht so sicher, ob beim Bass die Viertel durchlaufen sollte mit der Betonung auf 2 und 4. Ich bin früher auch der Meinung gewesen. Aber da bin ich inzwischen völlig weg von. Die 2 und 4 werden eh meistens vom Hi-Hat gespielt, im Kopf hat mans auch. Und hie und da mal spielen ist eh kein Problem, man darf ja auch mal weg von den Vierteln, man darf Drops und Überlagerungen spielen, da geht auch mal eine starke 2 und 4. Aber grundsätzlich, denke ich, macht der Bass einen Viertelpuls. Man hat dadurch mehr Möglichkeiten, als wenn man zur 2+4-Maschine wird. Es schiebt schon ziemlich, gebe ich zu, vor allem, wenn man Duopassagen hat, da ersetzt man das Schlagzeug prima mit, weil die Hörgewohnheit doch sehr stark 2 und 4 wünscht. Ich finde, daß es langweilig wird, wenn in jedem Stück der Groove so hüpft - ausserdem neigt man ein bißchen zum Treiben...
Metronome habe ich seit der ersten Klavierstunde nicht gemocht. Dafür kann ich mit dem Fuß locker
einen Takt mitklopfen der mit der Musik irgendwie rein gar nichts zu tun hat aber geeignet ist, andere zur
Verzweiflung zu treiben.
Und, bassoturbo, denke bei Deinem Drummer immer dran, Du hast einen Fuß frei - er nicht.
Musik lebt auch von wechselnden Tempi, schaut euch die ganzen Romatiker an.
Ein sehr interessantes Thema, das uns Bassisten zeitlebens beschäftigt!
Wir sind ja "time keeper", und so kümmern wir uns um "das Tempo".
Ob ein Stück im Laufe des Spielens schneller oder langsamer wird, ist nach meiner Erfahrung meistens sekundär (abgesehen von den oben beschriebenen Irritationen beim finalen Themeneinsatz). Hauptsache, die Band groovt!
Als Bassist kümmere ich mich in erster Linie darum, dass die Band groovt. Also engsten, verbindlichsten Kontakt zum Schlagzeuger und auch zum Pianisten / Gitarristen.
Wenn diese Bereitschaft zum dauerhaften Kontakt auch von den Rhythmusgruppenkollegen erwünscht und gewollt ist, fängt die Musik an: Wer "vorne", wer "hinten", wer "in time" ist, kann sich jederzeit neu ergeben und den Groove beleben.
Dieses Kümmern um und sich Einlassen auf eine gemeinsame Sache ist für mich eine der wichtigsten - und bei erfolgreichem Tun - beglückendsten Aufgaben in meinem Bassistenleben!
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