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Hallo,
kann mir jemand Tipps geben, wie ich das Weihnachtsoratorium in der geforderten Geschwindigkeit üben kann? Oder gibt es Vereinfachungen? Geschrieben scheint es ja für Cello zu sein, am Kb ist das, finde ich, ganz schön anspruchsvoll.
Bin für alle Tipps dankbar
Ricci
Man wächst mit seinen Aufgaben......
unangenehm finde ich lediglich, die notwendigen Oktavierungen, wenn man auf dem 4 Saiter spielt....
Viel Spaß mit Johann Sebastian
Frank
Da sind doch nur ein paarmal d und c...das finde ich jetzt harmlos, es sei denn, man baut die ganze Passage mit um...?
Die 32 tel-Passagen im der Nr. 1 möglichst deutlich mit dem Bogen artikulieren, links soviel greifen wie es geht und gut die nächste 1 erwischen. Den D-Dur-Lauf in tiefer Lage nicht oktavieren, bis auf den Schlusston natürlich. Die 16tel Stellen brauchen etwas Zeit, um in Kopf und Finger reinzugehen. Falls Du hier an Grenzen stösst, ab und zu Achtel einstreuen. Lieber etwas weniger spielen, als den Schwung verlieren.
Es gibt noch ein Rez mit 16tel Triolen. Falls Du alles mitspielen sollst, die Hauptnoten mit Gewicht, die gebrochenen Dreiklänge dezent, evtl wirklich nur die Hauptnoten spielen und den Rest das Cello alleine spielen lassen. Und nicht erwarten, der Dirigent hätte sich irgendwelche Gedanken darüber gemacht, ob und wie, und Du könntest von ihm Tipps bekommen. Spiele es so, wie Du es gut findest, bzw. was für Dich gut machbar ist.
Der Anfang ist der schwierigste Teil, wegen der fortlaufenden Noten - da gilt es den Anschluss nicht zu verlieren und dann natürlich die 16tel Passagen, die sind einfach höllisch schnell und ich weiß nicht, wie ich die ernsthaft in den Griff kriegen soll.
Auch die 16tel Triolen haben es sehr in sich, alles auch noch mit Aufstrich - finde ich schon sehr anspruchsvoll am KB und im geforderten Tempo.
Es ist also OK wenn ich solche Dinge vereinfache und ggf. auf den wichtigsten Ton reduziere? Das Cello kann das ja wesentlich besser, klarer und auch weicher spielen (die gebundenen Triolen oder die schnellen 16tel Läufe aus dem Anfang). Ich werde mir also ein paar Vereinfachungen für diese Stellen überlegen - dann klappen die anderen auch sicherer, weil die Angststellen weg sind ;-)
Danke für die Hinweise - und das mit den Dirigenten stimmt natürlich, die machen sich i.d.R. keinen Kopf, was am KB machbar und welche Reduktionen musikalisch sinnvoll sind.
Ich fahre sehr gut damit, ab und zu ein Tönchen wegzulassen, was noch nie (!) jemandem aufgefallen ist (bin Berufsmusiker und mache das seit etwa 15 Jahren). Natürlich ist der Wunsch da, möglichst viele Noten zu spielen. Manchmal muss man aber pragmatisch sein und kann auf diese Art die ganze Sache deutlich entstressen. Stress wirst Du als Continuo-Bass beim WO genug haben.
Falls Du die Triolenstelle im Abstrich besser hinbekommst - Strich umdrehen. Strich ist für Musiker da, nicht umgekehrt. Da achtet letztlich niemand drauf. Wenn die Stelle in die Hose geht, wird das mehr auffallen.
...noch dazu klingt es bei sehr schnellen Passagen oft besser, wenn der Bass nicht jede Note spielt. Dadurch wird der Gesamtklang und die Harmoniestruktur oft klarer. Es ist allerdings nicht immer ganz leicht und bedarf einiger Erfahrung, dabei die richtigen Entscheidungen zu treffen, was ist wirklich essentiell und was kann gut weggelassen werden? Da wäre es schon sinnvoll mal zu einem guten Lehrer zu gehen. Oder sich sonstwie mit Kollegen auszutauschen.
Manche Passagen müssen aber auch einfach geübt werden und in Fleisch und Blut über gehen. Man sollte dabei nicht jede einzelne Note versuchen wahrzunehmen, sondern nur z.B. D-Dur abwärts und dabei in Vierteln oder gar Halben denken und entsprechend betonen, gerade bei den schnellen Läufen. Frohes Schaffen!
Gruß Mattes
Hi!
Ich erlaube mir mal die Fragestellung aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Einem Johann Sebastian (wem sonst?) traue ich nämlich durchaus zu keine "überflüssigen" Noten geschrieben zu haben. Eingedenk, daß seine Werke wie im Fall des Weihnachtsoratoriums nicht nur von Virtuosen gespielt werden sollte und es sich dabei um Kirchenmusik handelt, also für große hallige Räume, geschrieben wurde. Da machen aus unseren zeitgenössischen Hörgewohnheiten schnelle 1/16 Triolen und 1/32 Passagen wenig Sinn - zumal in den genannten Räumen, das klingt nicht mehr differenziert sondern verwaschen.
Wenn jemand Ahnung von den akustischen Gegebenheiten in Kirchen hatte, dann ja wohl Bach. Angefangen von seiner Taufkirche, der Bach-Kirche (Familie) schlechthin, der Georgenkirche in Eisenach mit einer Länge von 50 m, der Thomaskirche in Leipzig mit einer Länge von 76 m bis hin zum Lübecker Dom mit einer Länge von 130 m. Wir erinnern uns: Schallgeschwindigkeit ist 343m/sec, dazu die höchst komplexen Reflexionen an Säulen und sonstigen Einbauten, was zu einem Nachhall von mehreren Sekunden (!) führen kann. Und sooo voll waren die Kirchen damals i.a. auch nicht, daß die Kirchenbesucher wesentlich zur Klangdämpfung des Halls beigetragen hätten - auch wenn dies an Weihnachten etwas besser gewesen sein mag als an normalen Tagen. Wie heute.
Für mich läßt das nur den Schluß zu, daß wir die Werke heute in einem vieeeel zu hohen Tempo spielen, da sind aber vor allem die Dirigenten gefragt. Immer höher (Stimmung), immer schneller - das kann's für diese Musik nicht sein. Ein Gedichtvortrag wird auch nicht besser, indem man ihn immer schneller rezitiert. Die Menschen damals sind nicht mit Tempo 200 über die Autobahn gerast, mit 300 im Zug gefahren, mit 900 geflogen, haben sich nicht durch Mobiltelefone von Termin zu Termin hetzen lassen und haben Fertiggerichte nicht in der Mikrowelle zubereitet, fließend Wasser in den Häusern gab es kaum, das mußte mühsam herbeigeschafft werden. Und da sollen sie Musik an der Grenze des technisch machbaren heruntergenudelt haben? In einem Raum, der der Einkehr und Besinnung dient?
Und Bach auf dem Baß spiele ich auf dem 4-Saiter fast immer mit Kontra DS und natürlich spiele ich auch nur die Noten, die mir unter den gegebenen Umständen (!) sinnvoll erscheinen und technisch-musikalisch für mich möglich sind. Aber das liegt nun wirklich nicht an Bach...
Grüße
Thomas
Hier was zur Akkustik der Thomaskirche, die Ende des 19. Jhds. umgebaut wurde: Because of rebuilding in the last hundred years the time has changed from that in Bach's time (1.6 to 1.7 s with audience) to the present (1.9 s with audience). Die Akkustik war für einen Kirchenraum vergleichsweise trocken.
Quantz hat recht genaue Tempoangaben mit dem Herzschlag 80 Schläge/min als Referenz gegeben. Es geht klar hervor, dass die langsamen Sätze schneller, die schnellen Sätze langsamer gespielt wurden. Mir geht das Gehetze der "Alte Musik"-Fraktion ziemlich auf den Wecker (Gardiner höre ich mir nicht mehr an). Da stimme ich Dir voll zu, LowB.
Hi nagybögö!
Dank für die Angabe zur Hallzeit in der Thomaskirche. Interessant, da machen eben auch 1/32 Noten Sinn, sofern sie eben nicht allzu schnell gespielt werden.
"Der" Quantz (Johann Joachim Quantz "Versuch einer Anweisung die Flöte traversière zu spielen") ist freilich ein unersetztliches Werk für alle Musiker, nicht nur für (Baß)flötisten , die sich mit Spätbarock/Frühklassik beschäftigen. Und auch das ist wichtig: Langsame Sätze wie Pavane oder Sarabande sind kein Stehblues und schnelle Sätze wie Courante oder Gigue sind kein Breakdance, das sind zur Bach-Zeit höfische Tänze, so ein high speed Rumgehopse war schon aufgrund der Kleidung und der Perücken gar nicht möglich; ich habe selbst mal einen Kurs für Alte Tänze besucht.
Und zweifelsfrei hat die HIP (historisch informierte Aufführungspraxis) Fraktion große Verdienste, manches schießt aber auch weit übers Ziel hinaus, siehe und höre z.B. im Prospero Forum. Manchmal scheint der Weg von HIP zu Hip-Hop nicht allzu weit zu sein. Leider.
Grüße
Thomas
Super, vielen Dank für die interessanten Beiträge, die mein Problem auf vielseitige Weise erhellt haben.
Auch ich habe schon in Kirchen gespielt und große Probleme mit dem Hall gehabt. Wir haben gar schon massenhaft Läufer und Teppiche mitbringen müssen (Kontrabass, Notenständer, Teppiche....Lieferwagen?).
Und ich kann mir überaus gut vorstellen, dass wir alle aus den oben beschriebenen gesellschaftlichen Gründen einem kollektiven Geschwindigkeitswahn erliegen. Es wäre sehr in meinem Sinn (und nicht nur aus Gründen mangelnder techn. Fähigkeiten) dem mehr Gelassenheit entgegen zu setzen, grundsätzlich, aber vor allem auch an Weihnachten.
Ich werde mich also dran machen und mit Hilfe meines Basslehrers das Werk zu vereinfachen. Und richtig, selbst dann hat man noch gut zu tun mit dem Basso contiunuo (das geht gut auf die linke Hand, die Töne sind nicht schwierig, aber die fortlaufende Beanspruchung der linken Hand braucht gute Kondition).
Vielen Dank!
Ricci
Es ist ein langegehegter Traum von mir (Laienspielerin), wenigstens die Choräle mitzuspielen. Nun ergibt es sich evtl für 2018 hier mit meiner Kantorei, in der ich mitsinge.
Wo kann ich die Choralnoten speziell und auch die Kontrabassstimme insgesamt denn (kostenfrei?) im www finden?
Wühl dich hier bei IMSLP mal durch:
http://imslp.org/wiki/Weihnachtsoratorium%2C_BWV_248_(Bach%2C_Johann_Sebastian)
Die Partitur der Choräle ist ja nicht so fett, so dass man es auch daraus spielen kann.
btw: Mein Prof. hatte mir damals die Bassstimme des WOs als Etüdenersatz empfohlen, da es sinnvolles, musikalisches Tonleiterexerzieren ist...
Hallo Zusammen,
zum Thema der Tempi bei der Musik von Bach gibt es ein sehr lesenswertes Buch:
"Bach: wie schnell?" von C.-Ch. von Gleich und J. Sonnleitner, Urachhaus-Verlag, 2002.
Das Werk sollte JEDER Dirigent mal gelesen haben (!!!!), was leider nicht der Fall ist, auch ich ärgere mich seit 30 Jahren als prof. Bassist über die völlige Ahnungslosigkeit der Dirigenten, was die Musizierpraxis der Bachschen Werke anbelangt.
In dem Buch erhält man auch wertvolle Anregungen nicht nur was das Continuo - Spiel betrifft, sondern auch bzgl. der musikalischen Gestaltung der (wunderschönen) Gambensonaten und der (super anspruchsvollen) Cello-Suiten auf dem Kontrabass.
Viel Spass bei der Lektüre.
Uli
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