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In der Süddeutschen vom 3.1.12 war folgender lesenswerter Artikel zu alten Instrumenten. Ich fand ihn ganz interessant.
Frohes neues Jahr und viele Grüße von Jörn
..und hier der link zum etwas ausführlicheren spiegel-online artikel:
http://www.spiegel.de/wissenschaft/technik/0,1518,806748,00.html
aber glaubt jemand, dass solche forschungsergebnisse dem mythos alter instrumente ernsthaft etwas anhaben können? ich nicht.
bässte grüße und 52 entspannte wochenenden! janski
Hier ist der ausführlichere Bericht aus dem Spiegel:
Geigen-Mythos
Blindtest entzaubert die Stradivari
Die berühmtesten Geigen sind Millionen wert und Jahrhunderte alt. Was ihnen ihren einzigartigen Klang verleiht, haben zahlreiche Forscher untersucht. Nun bringt eine Studie Ernüchterung: Die alten Violinen klingen demnach gar nicht besser als neue Instrumente.
Info
Hamburg - Sie faszinieren nicht nur Musiker und Musikliebhaber, sondern auch Forscher: die Violinen, die Antonio Stradivari und Guarneri del Gesù in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts bauten. Verschiedene Experimente sollten ergründen, woher ihr besonderer Klang stammt. Der Lack, die chemische Vorbehandlung des Holzes oder auch die kleine Eiszeit, die die Bäume beeinflusste, wurden schon zur Erklärung herangezogen.
Doch nun haben französische und US-amerikanische Forscher die Grundidee in Frage gestellt, dass die alten italienischen Geigen modernen Exemplaren überlegen sind. Laut ihrem Test mit 21 Musikern ist dies tatsächlich nicht der Fall, berichtet das Team im Fachmagazin "Proceedings of the National Academy of Sciences".
Die Wissenschaftler um Claudia Fritz von der Universität Paris baten während des internationalen Geigenwettbewerbs in Indianapolis ihre Probanden in ein abgedunkeltes Hotelzimmer. Zusätzlich setzten die Musiker eine dunkle Schweißbrille auf, damit sie die Geigen nicht am Aussehen erkennen konnten. Etwas Parfum unter der Kinnstütze verdeckte den Holzgeruch der Instrumente.
Probanden mit Stradivari-Erfahrung
Bei den Testspielern handelte es sich größtenteils um professionelle Musiker, der jüngste Proband war 20, der älteste 65 Jahre alt. Die Teilnehmer spielten seit 15 bis 61 Jahren Violine, ihre eigenen Instrumente hatten einen Wert von 1400 bis 7,7 Millionen Euro - denn unter den Teilnehmern fanden sich auch Musiker mit Stradivari beziehungsweise Guarneri-Violine.
Für den Test hatten die Forscher sechs Geigen bereitgestellt. Drei waren alte italienische Violinen - eine von Guarneri del Gesù, zwei von Antonio Stradivari. Die drei neuen Modelle waren wenige Tage bis Jahre alt. Die Wissenschaftler hatten vor dem Experiment aus einer größeren Sammlung neuer Geigen die drei ausgewählt, die ihrer Meinung nach am eindrucksvollsten klangen und sich dabei klar voneinander unterschieden.
Die drei alten Geigen sind nach Angaben der Forscher zusammen um die zehn Millionen Dollar wert - und damit etwa hundertmal so viel wie die drei neuen Instrumente.
Blindtest: Alt gegen Neu
In einem ersten Experiment erhielten die Musiker je eine neue und eine alte Geige - was die Spieler aber nicht wussten. Auf jedem Instrument durften sie eine Minute spielen. Danach sollten sie sagen, welches ihnen besser gefällt. Die Geiger testeten jedes mögliche Paar aus neu und alt, eines sogar doppelt. Das Ergebnis: Insgesamt entschieden sich die Musiker etwas öfter für eine neue Geige. Dies lag vor allem daran, dass ein Modell besonders selten favorisiert wurde - eine Stradivari, die um das Jahr 1700 gebaut wurde.
Doch war das Urteil der Geiger überhaupt konstant? Je ein Violinen-Paar erhielt jeder Musiker ein zweites Mal während dieses Tests, ohne dies zu wissen. Elf Probanden entschieden für dieselbe Geige wie beim ersten Mal, zehn aber für die andere. Ein Zeichen dafür, dass die Instrumente sich von der Qualität her so wenig unterscheiden, dass die Wahl zufällig getroffen wird - oder dass die Testbedingungen vielleicht nicht optimal waren, merken die Forscher an.
Die Musiker bekamen im zweiten Testteil eine Chance, sich länger mit den sechs Instrumenten auseinanderzusetzen. Nun konnten sie binnen 20 Minuten auf jeder der Geigen so lange spielen, wie sie wollten und auch nach Wahl zwischen den Violinen wechseln. Anschließend sollten die Musiker sagen, welches Instrument sie am liebsten mit nach Hause nehmen würden. Auch sollten sie das beste und das schlechteste Modell in vier Kategorien nennen, die Geiger zur Bewertung von Instrumenten nutzen - Modulationsfähigkeit der Klangfarbe, Ansprache, Spielbarkeit und Tragfähigkeit.
Wieder zeigten sich keine klaren Tendenzen. Jedes Instrument wurde von mindestens einem Teilnehmer als Favorit gewählt. Und bis auf eines landete jedes in den vier Kategorien sowohl vorn als auch hinten. Nur eine der neuen Geigen fand überdurchschnittlich viel Zuspruch. Und die Stradivari, die schon im ersten Durchlauf am wenigsten beliebt war, lag erneut eher hinten.
Am Klang erkannt? Fehlanzeige!
Ob ihr Favorit eine neue Geige war oder ein altes italienisches Modell: Da konnten die Musiker offensichtlich nur raten. Sieben sagten gleich, sie hätten keine Ahnung, sieben rieten - und lagen daneben. Nur drei hatten den richtigen Riecher. Die restlichen vier Teilnehmer haben nicht geantwortet.
Dass die Violinen der italienischen Meister moderne Modelle klar übertrumpfen, lässt sich nach dieser Studie nur noch schwer behaupten. Der Blindtest legt vielmehr nahe, dass ein psychologischer Effekt den altehrwürdigen Geigen zu bleibendem Ruhm verhilft: Wer eine Geige spielt oder hört, die Millionen wert und von einer Aura der Überlegenheit umgeben ist, den begeistert schon dieses besondere Erlebnis so, dass der Klang überirdisch schön wirken muss. So dürfte auch der niederschmetternde Blindtest den Mythos der alten Geigen kaum beenden.
wbr
Vielleicht ist der Charme eines Instrumentes mehr ein optischer denn ein akustischer. Als ich meine beiden Bässe gesucht (und gefunden) habe, hatte erst das Auge die Wahl, danach trafen das Ohr und das Portemonnaie die entgültige Entscheidung.
"Für den Test hatten die Forscher sechs Geigen bereitgestellt. Drei waren alte italienische Violinen - eine von Guarneri del Gesù, zwei von Antonio Stradivari. Die drei neuen Modelle waren wenige Tage bis Jahre alt. Die Wissenschaftler hatten vor dem Experiment aus einer größeren Sammlung neuer Geigen die drei ausgewählt, die ihrer Meinung nach am eindrucksvollsten klangen und sich dabei klar voneinander unterschieden.
Die drei alten Geigen sind nach Angaben der Forscher zusammen um die zehn Millionen Dollar wert - und damit etwa hundertmal so viel wie die drei neuen Instrumente."
das bedeutet das die 3 neuen geigen je ca. 30.000€ kosten. schon logo das die gut verarbeitet, gut klingen und sich gut spielen lassen. komischer test.
Nichts wirklich neues. Solche Tests bestehen schon sehr lange, angeblich immer mit dem gleichen Ergebnis : man hört meistens nicht den Unterschied zwischen alt und neu, oder zwischen herkömmlich gebauten Geigen und "revolutionären" Neuerungen wie die bekannten Trapez-geigen die in ihrem Bau nur noch wenig mit Stradivari zu tun hatten.
Andererseits ist meistens das Spielgefühl doch ganz verschieden. Wer mal auf einem wirklich guten alten Bass gespielt hat weiss, dass es sich ganz anders anfühlt. Und meistens klingen gute alte Instrumente tatsächlich besser für den Spieler selbst. Das heisst, die reagieren anders, sprechen besser an, und laden zu einer "anderen" Spielweise ein. Instrument und Spieler verhalten sich anders. So kommt man zu einem subjektiven Eindruck : es ist inspirierend, es regt an, man spielt eben besser weil man sich oft auf dem alten Instrument sehr wohl fühlt.
Also, es ist eben ganz anders für den Musiker der spielt, als für den Musiker der zuhört. Beide hören was anderes. Es ist gut wenn man sich dessen bewusst ist. Denn man bezahlt oft sehr viel Geld für dieses "wohlfühlen" obschon es im Saal vielleicht nicht so rüberkommt. Klar, das wohlbefinden beim Spielen ist besonders wichtig. Viele haben schon die Erfahrung gemacht von einem Bass der super klingt, den man aber nicht so gerne spielt. Dann ist mir persönlich lieber, etwas mehr zu bezahlen für ein Instrument auf dem ich stundenlang spielen möchte.
Komisch ist auch der Test wobei Musiker untereinander ihre Geigen vergleichen. Hinter Schirm, versteht sich. Resultat ist fast immer dass jeder sein eigenes Instrument, von einem Kollegen gespielt, das beste findet. Auch wenn er nicht weiss dass es sein eigenes ist.
Auf jeden Fall, vielen Dank für diesen Thread, finde ich sehr interessant weil wir hier über Subjektivität vs. Objekivität (in soweit sowas in der Musik bestehen kann - oder soll).
Happy New Year to everyone !
Bassta7
Wenn man die Wissenschaften Ernst nimmt, wäre das unhaltbar. Die Anschlußfrage der Forscher ist ja die, die hier auch schon losgegangen ist: Wie beurteilen Musiker Instrumente? Wie Uli schon sagt, offenbar nicht nur am Klang. Wenn ich einen Bass spiele, der mutmaßlich von keinem Jazzer eingerichtet wurde, schmirgel ich als erstes die scharfe Unterkante am Griffbrett ab. Die sieht kein Mensch, die beeinflußt vernachlässigbar den Klang und mit Baßwert hat sie auch nichts zu tun, von ihr hängt aber viel Sympathie ab. Ich habe schon Bässe gespielt, bei denen ich nach drei Stücken eine Blase am rechten Daumen hatte.
Dass auch Musiker einem Thrill anhängen, ist in Anbetracht der Popularität von abwegigen Leidenschaften kaum verwunderlich. Es gibt beispielsweise mechanische Armbanduhren für 700000 Euro, obwohl die meisten Quarzuhren genauer laufen. Für 700000 Euro bekäme man schon 1400 Sätze Eudoxa.
Hallo,
die Musiker konnten doch selber auf den Instrumenten spielen...Kann deine Kritik nicht verstehen. Auch vom Spielgefühl etc. scheinen die neuen Insrumente nicht schlechter gewesen zu sein...
Grüße
"Die Wissenschaftler ..... baten während des internationalen Geigenwettbewerbs in Indianapolis ihre Probanden in ein abgedunkeltes Hotelzimmer."Typisches Zimmer einer mir bekannten amerikanischen Hotelkette: Kingsize Bett mit doppelter Matratze, dicker Teppich, der ganze Raum möglichst schallschluckend, um wenig Geräusche zu den Nachbarzimmern dringen zu lassen.
Unter solchen Rahmenbedingungen eine Vorstellung vom Raumklang eines Instrumentes zu bekommen, halte ich für extrem schwierig, wenn nicht sogar unmöglich.
Man hört überproportional "das Geräusch des Bogens auf der Saite", nicht aber die Entfaltung des Tones im Raum. Meine Bässe klingen zu Hause in meinem Übezimmer ganz anders als in einem gößeren Saal oder gar in einem Konzertsaal - und auch da gibt es Unterschiede. Insofern stimmt das Ergebnis des "wissenschaftlichen Versuchs" mit meinen Erwartungen überein: wenn das, was ein gutes Instrument (unter anderem) ausmacht, "weggefiltert" wird, ist ein hauptsächliches Unterscheidungsmerkmal nicht mehr gegeben. Dass gute neue Instrumente haptisch alten Instrumenten nicht nachstehen, können wohl einige bestätigen. Und mein neuer Bass hat mich letztlich nicht nur wegen des Klanges, sondern auch besonders wegen des "für meine Spielweise gemacht"-Gefühls angesprochen.
Ja, ja, jucheirassah! Wieder mal ein Bericht der "fachkompetenten Medien" über den angeblichen Wahnsinn mit den teuren alten Instrumenten, und der heimlich implizierten Schlußfolgerung, man sollte doch nicht so ein Geschrei drum machen, sondern besser auf dem billigen IKEA-Instrument spielen.
Meine Meinung dazu ist zwar jetzt nicht direkt wissenschaftlich fundiert, aber meine Intuition sagt mir das Folgende:
Es ist doch völlig logisch, daß ein altes Instrument nicht unbedingt auf Anhieb den vollen Klang entwickelt, wenn ein neuer Spieler es in die Hand nimmt. Der gute Klang eines alten Instruments entwickelt sich für jeden Spieler erst nach einer gewissen Zeit des Spielens. Physikalisch-blauäugig erkläre ich mir das so, daß sich die Holzfasern natürlich mit der Zeit auf die Beanspruchung durch Tonschwingungen einstellen (weswegen die Instrumente ja auch regelmäßig gespielt werden sollen), und die Tonerzeugung ist nun einmal von jedem Spieler individuell.
Wenn man sich nun noch andersherum vorstellt, wer alles schon auf einer Geige oder einem Baß von 1720 so alles rumgekratzt hat, dann sollte es logisch sein, daß hier der Einspielvorgang ein ganz anderer sein wird, als wenn man da ein jungfräuliches Instrument vorgelegt bekommt.
Ich erinnere mich eines Satzes eines Geigenprofessors, der über die Stradivari von Anne-Sophie Mutter nur sagte "Ein mittelmäßiger Geiger kann auf dem Ding überhaupt nicht so spielen wie sie"
Kann dem nur voll zustimmen. Das ganze Ding hat viele Aspekte: Es gibt gute und schlechte alte Instrumente und gute und schlechte neue. Es gibt gut eingestellte und schlecht eingestellte Instrumente, und es gibt gute und schlechte Spieler. Ich glaube, daß man da doch sehr differenzieren muß. Ein neues Instrument, von einem guten Geigenbauer sorgfältig gebaut und eingerichtet, ist auf jeden Fall besser als ein altes Instrument der minderen Kategorie. Und auch eine gut eingerichtete neue "Fabriksgeige", also aus industrieller Massenproduktion, wird da keinesfalls mithalten können.
Ein weiteres Kriterium ist das persönliche Einspielen eines Instrumentes, damit meine ich, daß jeder Musiker ein Instrument auf seine Spielweise einspielen muß und sich außerdem dabei auch von den Gegebenheiten seines Instrumentes beeinflussen läßt, seine Spielweise wiederum dem Instrument anzupassen. Ich habe auch Leute gekannt, die auf ihrem Instrument ganz wunderbar spielten, aber auf anderen Instrumenten nicht zurecht kamen, und auch kein anderer konnte wiederum auf dessen Instrument klarkommen. Ein altes Streichinstrument, und ich rede nur von den guten, hat eben dürch die vielen Leute, die im Laufe der Jahre darauf gespielt haben, Charakter gewonnen, es ist auf alle möglichen Spielweisen hin bearbeitet worden. Ein neues Instrument muß das alles erst lernen, es braucht seine Zeit, bis die natürliche Störrischkeit abgebaut ist und es freiwillig und locker schwingt. Insofern finde ich auch solche Tests, noch dazu in einem quasi schalltotem Raum, äußerst fragwürdig und man kann damit eigentlich nur beweisen, was der Veranstalter ohnehin im Sinn hatte, und ich glaube, daß dieser (pseudowissenschaftliche) Test genau so gemeint war. Die guten modernen Geigenbauer, die heute ausgezeichnete Instrumente bauen, brauchen diese Art Promotion sicher nicht, die haben Zuspruch. Und dem ambitioniertem Laien oder Hobbymusiker seine Billiggeige aus chinesischer (oder auch deutscher) Massenproduktion schmackhaft zu machen und schönzureden mit solchen Tests, kann man fast schon perfide nennen.
Zum Schluß: Jeder gute alte Bass war mal ein guter neuer Bass.
Viele Grüße!
Die Ergebnisse des Tets sagen zunächst nichts weiter aus, als das genau die verglichenen Instrumente von den Probanten so wie nachzulesen eingeschätzt wurden. Mit jedweder Verallgemeinerung muss man natürlich vorsichtig sein.
Dennoch glaube ich, dass man sagen kann, dass auch neue Instrumente an die Klangqualität alter Meister herankommen kommen – der Test untermauert diese Meinung, auch wenn es falsch wäre, ihn als „wissenschaftlichen Beweis“ zu betrachten.
Hobbymusikern oder Laien siene Billiggeige schönzureden, war sicher nicht die Ambition der Wissenschaftler. Die Geigen, die gegen die Alten Meister antraten, lagen preislich alle im fünfstelligen Bereich, sind also zeitgenössische Meisterinstrumente. Ein Rückschluss auf Massenware lässt sich daher gar nicht ziehen.
Wieso pseudowissenschaftlich? Es handelt sich hier um einen psychologisches Experiment, das die Leute nach bestem Wissen eingerichtet haben. Wenn die Raumakustik so wichtig ist, wie es hier dargestellt wird und wie es Psychologen auch nicht unbedingt bekannt ist, dann müsste man nach der Präsentation und Diskussion der Methode und der Ergebnisse das Experiment unter neuen Bedingungen wiederholen. Grundsätzlich gibt es bei Experimenten immer das Problem, aus Einzelfällen Gesetzmäßigkeiten herzuleiten (sogenanntes Induktionsproblem). In der Physik gilt: Einmal ist keinmal, zweimal ist ein Gesetz, in der Psychologie tut man sich mit Gesetzesaussagen schwerer.
Die meisten Kommentare hier waren ja eher skeptisch gegenüber dem Experiment und keiner hat sinngemäß gesagt: "Tja, da sind wir einer traditionsreichen Fehleinschätzung auf den Leim gegangen. Zum Glück kommt jetzt die Korrektur." Nun wird die Frage interessant, wann und wie es zum Hype um alte Instrumente gekommen ist und warum wir den Hype ernster nehmen als moderne Forschung. Die Antwort von einem Musikhistoriker wäre wahrscheinlich anders als die von den Psychologen.
Aus den Geisteswissenschaften sind mir viele Fälle bekannt, bei denen Fragwürdiges vergöttert wird, z.B. Homer. Es passiert in Seminaren der Gräzistik oder Germanistik nicht, daß jemand sich kritisch zu dieser Flitzpiepe äußert. Hier zwei entgegengesetzte Auffassungen:
Herder: "Vor allen ist unter diesen Homer berühmt, der Vater aller griechischen Dichter und Weisen, die nach ihm lebten. Durch ein glückliches Schicksal wurden seine zerstreueten Gesänge zu rechter Zeit gesammlet und zu einem zwiefachen Ganzen vereint, das wie ein unzerstörbarer Palast der Götter und Helden auch nach Jahrtausenden glänzet."
Dagegen der Aufklärer Voltaire: "»Mein Abgott ist er nicht,« versetzte Pococurante trocken. »Man wollte mir in meiner Jugend weiß machen, ich fände Vergnügen an dem alten Homer. Aber die ewige Wiederholung von Kämpfen, die sich alle so ähnlich sehen wie ein Ei dem andern; diese Götter, die sich in Alles mischen und doch nichts Entscheidendes zu Stande bringen; diese Helena, über die der ganze Krieg herkommt und die doch nur eine unbedeutende Nebenrolle darin spielt; dies Troja, das man beständig belagert und nie einnimmt: Alles das langweilte mich zu Sterben. Ich fragte verschiedene Gelehrte aufs Gewissen, ob der alte Tröster für sie mehr Anziehungskraft habe, und Jeder, der mir reinen Wein einschenkte, gestand, daß ihm das Buch aus der Hand falle, daß es aber als ein ehrwürdiges Denkmal des Alterthums in keiner Bibliothek fehlen dürfe – ähnlich jenen alten verrosteten Münzen in den Sammlungen der Numismatiker, die man im Handel und Wandel nicht mehr brauchen kann.«"
Analog ist es anscheinend bei Geigendiskussionen tabuisiert zu sagen, dass eine Stradivari experimentell nachgewiesen nicht besser klingt als eine heutige Asi-Geige für 30000 Euro.
Was mich beim „Mythos“ alter Instrumente stets misstrauisch macht, ist die Tatsache, dass es eben ein Mythos ist. Auf die Frage, was an alten Stradivaris nun so toll ist, bekommt man umso mehr Antworten, je mehr man fragt und liest. Mal ist es der Lack, ein anderes Mal eine kleine Eiszeit, dann wieder eine spezielle Holzbehandlung …
Unbestritten ist die historische Rolle Stradivaris für den Geigenbau, die unheimlich hohe Qualität seiner Instrumente, sein handwerkliches Können etc … aber das bedeutet ja nicht, dass nicht auch heute grundsätzlich ähnlich gute Instrumente gebaut werden (können). Bei all dem Forschungsaufwandf, der da betrieben wird. Und dem Geld, dass Menschen auszugeben bereit sind.
Nicht zu unterschätzen ist aber der psychologische Effekt dabei. Von einem Instrument, dass so viele Jahrhunderte auf dem Buckel hat, geht einfach eine gewisse Magie aus. Ich kann mich dem auch nicht verschließen. Hey, als Musiker ist man schließlich immer auch ein „Gefühlsmensch“. Das gehört dazu.
Hallo,
das alles entspricht meiner Meinung nach dem klassischen Cola Effekt: Wenn man aus einem neutralen Becher trinkt, schmeckt Pepsi besser. Sobald ein Logo zu sehen ist, kommt das Original besser davon. Das ist das Ergebnis einer wissenschaftlichen Studie.
Nicht nur das Ohr hört mit (außer in solchen Versuchen) sondern auch viele Vorurteile. Und die bewirken, dass zB Stradivaris gut klingen (müssen). Das gleich ist zB bei 59er Les Paul (E-Gitarren) der Fall...
Grüße
Hi!
Dazu noch ein interessantes Video mit zwei "Funghi"-Geigen, Stradivari vs. Rohnheimer: http://www.youtube.com/watch?v=OPuhxfGGq5I
Grüße
Thomas
Hier ein Link zu einem Artikel des Instituts Empa - Klangverbesserung durch Pilze http://www.empa.ch/plugin/template/empa/*/86862/---/l=1
Hm- als ich meinen alten Bass bekam, roch der aus dem Inneren wie altes Weinfaß. Der Bassbauer, der die ersten Arbeiten daran ausführte, meinte: 'Nein, das ist ein Pilz'.
Und ich Depp habe da hinterher Sagrotan reingesprüht. Der Geruch ist zwar weg...
Hi Uli!
Zum Trost: Die EMPA mußte ja lange forschen um den "richtigen" Pilz zu finden - wenig wahrscheinlich, daß sich gerade dieser in Deinem Baß eingenistet hatte. Wahrscheinlich hätte der Deinen Baß schlichtweg aufgefressen .
Grüße
Thomas
Tröstlich ist es doch bei allen Differenzen, dass man beim Bass eher von einem Geräusch als von einem Klang reden muss.....
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