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Risse in der Decke

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Zugeordnete Kategorien: Bassbau

Basskl Profilseite von Basskl, 10.05.2015, 17:05:37
Risse in der Decke

Hallo,

wie dramatisch sind eigentlich reparierte bzw. unreparierte Risse in der Decke älterer Bässe?

Hierzu hätte ich einige Fragen und freue mich auf die Antworten netter Forumskollegen:

Ist es richtig, dass Risse neben Bassbalken und in der Nähe des Stimmstocks besonders heikel sind, während Risse am Untersattel und vom F- Loch aus in beide Richtungen nicht so schlimm sind? Kommen auch Risse an der Mittelfuge vor? Wie verhält es sich mit Rissen in der Zarge?

Gibt es Erkennungsmerkmale, ob ein Riss gut oder schlecht repariert ist?

Mir ist klar, dass es immer gut ist, wenn sich sowas ein Bassbauer ansieht. Aber gut wäre auch, wenn man die Sache im Groben auch schon selbst einschätzen könnte, da ich über Aufbau und Klangentwicklung des Kontrabasses ansonsten nicht ganz unwissend bin. Es geht mir übrigens nicht um einen bestimmten Bass.

Basskl

 

Bigsby Profilseite von HannoBass, 10.05.2015, 22:23:34

Zum Thema Reparaturen am Kontrabass gibt es ein interessantes Buch von Chuck Traeger: „Setup and Repair of the Double Bass for Optimum Sound“
Erhältlich z.B. hier http://www.kontrabass-atelier.de/zubehoer.html#buch

LowB Profilseite von LowB, 11.05.2015, 10:38:57

Der Hinweis auf "den" Traeger ist ja ganz nützlich, nicht jeder kann oder mag aber wegen einer einfachen Frage 115,-- € für ein Fachbuch - mit Supplement - ausgeben und nicht jeder kann oder mag mit einem fremdsprachigen Fachbuch klarkommen. Wenn wir nur noch Hinweise auf Fachbücher, Fachartikel, Wikipedia und letztlich Google geben macht sich ein Forum irgend wann mal überflüssig  - es lebt von eigenen Erfahrungen, Meinungen, Diskussionen und Kontroversen. Und das auch noch wohlfeil. Meine Meinung.

Guten Morgen!

Basskl, zunächst mal bekommt jeder MHB (Massivholzbaß) irgend wann mal Risse. Mit gut abgelagertem Holz, sorgsam gebaut und ordentlich behandelt reden wir hier (hoffentlich) von Zeiträumen nach vielen Jahrzehnten. Und so ein Riß ist kein Beinbruch, oft wird durch ein Riß z.B. unerwünschte Spannung vom Holz genommen, was dem Klang durchaus zuträglich sein kann. Oft ist es aber auch nur eine Preisfrage. Wie von Dir richtig angemerkt, ist ein Baßbalkenriß - also ein Riß direkt entlang einer Leimkante des Baßbalkens - schon ein kapitaler Schaden, wie ich gelernt habe, bei solchen Bässen bin ich sehr zurückhaltend, oft muß der Baßbalken oder gar die Decke erneuert werden. (Kommt bei ausgestochenen Baßbalken, wie von Heiner Windelband wiederbelebt, freilich kaum vor.) Stimmriß, also ein Riß an der Stimmstockposition,  ist vor allem teuer, Decke runter, neues Stimmfutter - so ab 1.600,-- € aufwärts.

Untersattelrisse, also Deckenrisse ausgehend von den Kanten des Untersattels, sind ein baßbaulicher Mangel (oder stetige Einnahmequelle für Baßbauer) und ein völlig überflüssiger Schaden. Ich sehe n Bässe - und bei allen n Bässen ist der Untersattel "schön" paßgenau in die Decke eingepaßt. So lernt man das im Geigenbau und da ist das auch richtig. Nun ist ein Baß aber keine "Baßgeige": Der Hartholz-Untersattel bewegt sich nach unseren Maßstäben bei Klimaschwankungen nicht - die im Vergleich riesige Weichholzdecke dafür aber um so mehr. Schrumpft die Decke etwas durch Trockenheit, passiert das gleich wie mit Wasser in einer Wasserleitung bei Frost - peng... Wer noch kein "Spiel", mindestens 1 mm pro Seite, an den Kanten des Untersattels hat, sollte dies vom Geigenbauer richten lassen, sollte nicht mehr als 10,-- € kosten, selten kann man Geld langfristig besser anlegen.

F-Loch-Risse gehen bei alten Bässen oft mit einer Schrumpfung der Decke einher, dann muß ein Span in den Riß eingelegt werden, sind aber weitgehend unproblematisch.

Risse am Stoß der Deckenhälften kommen so gut wie nie vor, die Adhäs- und Kohäsionskräfte des Knochenleims sind stärker als die Bindung der Holzzellen untereinander - jahrelang im feuchten Keller kann freilich, zumal mit Schimmelbefall, auch eine Leimung am Stoß auseinanderfallen.

Risse, egal wo, sollte man immer reparieren lassen, a.) um den Riß zu stoppen, b.) um Nebengräusche zu vermeiden.

Eine gut ausgeführte Rißreparatur sieht man nicht: https://www.youtube.com/watch?v=W9jphcIQX-8

Noch eine Sache am Rande: Es gibt komplizierte Reparaturverfahren, die Spezialisten (das meine ich voller Hochachtung)  durch die F-Löcher, ohne die Decke abzunehmen, ausführen. Nun hat für solche Verfahren irgend wann irgend jemand aus irgend welchen Gründen das Wort "invasiv" eingeführt. Fremdwörter sind manchmal Glückssache... cry_smile Nun sind in der Chirurgie die invasiven Operationen gerade "das ganz große Kino" mit schweren Nebenschäden, z.B. wenn für eine Operation am offenen Herzen das Brustbein aufgesägt wird; "invasiv" ist mit "Invasion" verwandt. Das Gegenteil in der Medizin sind micro-invasive Verfahren (MIC - micro-invasive Chirurgie), sog. Schlüssellochoperationen. Analog dazu Reparaturen durchs F-Loch. Nicht-invasiv sind z.B. Urinuntersuchungen oder EKGs. Dem würde beim Baß wohl das Stimmen entsprechen 1. Klugscheißermodus i aus.

Ich wünsche jetzt noch nicht mal eine allzeit rißfreie Zeit, wie gesagt kann ein Riß auch mal zum Vorteil eines Basses gereichen.

Grüße

Thomas

 

4saiter Profilseite von , 14.05.2015, 11:34:43

Hallo Basskl,

habe mir gerade mal den Spaß gemacht und die Risse an meinem Kontrabass gezählt. Er ist ca. 250 Jahre alt. Alle sind repariert:

17 Risse in der Decke, 4 Risse im Boden und 26 Risse in den Zagen. Auch die "Streben" am Boden wurden teilweise erneuert. Das der Bass so viele Blessuren hat, ist kein Wunder, denn er hat ja auch schon zwei Weltkiege überstanden wink_smile

Meine Bass hat keine Risse neben dem Bassbalken und in der Nähe des Stimmstocks, sonst aber überall. Es haben im Laufe der Zeit viele Personen an der Reparatur des Instruments gearbeitet. Mache Reparaturen waren gut, andere nicht so gut. Das hing wohl mit dem Besitzer und den Möglichkeiten des Geigen-/Bassbauers in der jeweiligen Zeit ab.

Alle die den Bass gespielt haben sind vom Klang des Instrumens begeistert. Risse spielen da keine Rolle.

Ein Riss ist aus meiner Sicht dann gut repariert, wenn man ihn nicht hört. Es darf halt nix klappern und schnarren.

Manche Risse waren mit Holzstückchen überklebt. Wenn dann der Leim nicht richtig hält schnarrt & klappert es. Das darf nach so viele Jahrzehnten aber auch mal sein denke ich. Einige Risse waren mit Leinentuch verleimt. Sieht lustig aus, da diese aus verschiedenen karierten Tischdecken stammen. Die Risse mit Leinentuch haben alle bis heute gehalten und wurden so gelassen. Die Reparaturen bei denen Holzstückchen verleimt worden waren, hat der Geigenbauer als der Bass vor ein paar Jahren geöffnet wurde, alle durch Leinentuch ersetzt. Bis heute bin ich sehr zufrieden damit.

Das sind meine persönlichen Erfahrungen mir Rissen.

Liebe tiefe Grüße

Holger

basswill Profilseite von basswill, 07.02.2022, 22:04:05

Moin, auch wenn der Beitrag ewig her ist - vielleicht bekomme ich trotzdem noch eine Antwort...
Diese Leinenstreifen, wurden die stückchenweise (wie die Holzverstärkungen) quer zum Riss verleimt, oder -wie man es bei einem Streifen vermuten könnte- als längeres Stück längs über dem Riss?

Dantschge Profilseite von Dantschge, 14.05.2015, 12:37:51

Hallo zusammen,

im Jahre 2004 bin ich mit meinem Kontrabass (Baujahr: ca. 1875) unachtsam umgegangen und gegen den Türstock eines Aufzuges gerannt. Das hatte einen großen Riss in der Zarge zur Folge, dass der nicht durch einfaches Zusammenspannen von außen fixiert und geleimt werden konnte. Zur Reparatur musste also die Decke abgenommen werden. Da hat sich gezeigt, dass die letzte Deckenreparatur (vor meiner Zeit) nicht fachgerecht durchgeführt wurde und mit minderwertigem Holz die Decke teilweise aufgedoppelt wurde. Die folgenden Bilder zeigen die Decke von innen, wie sie nach dem Öffnen des Kontrabasses vorgefunden wurde:

Kontrabassreparatur0001Kontrabassreparatur0002Kontrabassreparatur0003

Nachdem die Decke so nicht belassen werden konnte, da sie nicht mehr dauerhaft an der Zarge gehalten hätte, wurde sie aufwendigst restauriert und u.a. ein neuer Rand angearbeitet und die vorhandenen Risse teilweise neu hinterlegt. Das Endergebnis sieht man auf den folgenden Bildern:

Kontrabassreparatur0004

Kontrabassreparatur0005

Kontrabassreparatur0006

Kontrabassreparatur0007

Die durchgeführte Reparatur hat den Klang des Kontrabasses nicht merklich verändert. Mir ist zumindest nach der Reparatur nichts aufgefallen, dass der Bass anders geklungen hätte oder schlechter angesprochen hätte, als vorher. Natürlich lag zwischen dem letzten Ton, den ich von dem Bass vor dem Schaden gehört hatte, und dem ersten Ton, den ich nach der Reparatur gehört hatte ca. ein viertel Jahr.

Entscheidend für die Behandlung sämtlicher Risse ist, dass jeder einzelne soweit gesichert wird, dass der Riss nicht weiter wachsen kann und natürlich auch, dass an den Rissen keine Nebengeräusche entstehen. Insgesamt muss natürlich die Stabilität der Konstruktion des Instruments erhalten werden, da ja auf einen Kontrabass relativ hohe Kräfte durch die hohe Saitenspannung wirken.

Seitdem ich den Kontrabass besitze, gehe ich immer zum selben Geigenbauer, der mir damals, als ich den Bass bekommen hatte, empfohlen hat, dünnere Solo-Saiten in Orchesterstimmung zu verwenden, um den Druck auf die Decke und die Gesamtkonstruktion des Basses möglichst gering zu halten. Ich spiele seit nunmehr 20 Jahren diesen Bass mit Corelli Solo-Saiten 360M in Orchesterstimmung, die zwar nicht so wuchtig klingen, wie dickere Saiten für Orchesterstimmung, aber z.B. auch sehr bequem zu spielen sind, da sie wesentlich weniger Kraftaufwand zum Niederdrücken erfordern und über eine gute Stimmstabilität und Ansprache verfügen. Natürlich wären auch Darmsaiten für so ein altes Instrument geeignet, die sind mir aber zu teuer und zu empfindlich. Ich muss noch dazu sagen, dass der Bass über eine Mensur von 106 cm verfügt. Bei kürzeren Mensuren könnte man evtl. Probleme mit den dünneren Solosaiten bei Verwendung in Orchesterstimmung bekommen.

Seit der Reparatur vor mehr als 10 Jahren hatte ich keine Probleme mit neuen oder wachsenden Rissen und auch keine Geistergeräusche, die es vorher gelegentlich im Sommer bei sehr hoher Luftfeuchtigkeit gegeben hatte. Sie kann also als rundum erfolgreich bezeichnet werden. Und der Stabilität der Decke hat die Restaurierung sicherlich gut getan und ermöglicht im neuerlichen Schadensfalle (Gott behüte!) auch zukünftig ein fachgerechtes Öffnen des Basses.

Viele Grüße vom Dantschge

Basskl Profilseite von Basskl, 14.05.2015, 14:28:49

Hallo zusammen,

vielen Dank für Eure sehr ausführlichen Berichte und Erfahrungen ! Wieder viel dazugelernt.

Für mich ist es nachvollziehbar, dass eine Decke nach einem Riss freier schwingen kann, weil Spannungen der Decke abgebaut worden sind und dies dem Klang zugute kommen kann. Ebenso kann ich mir vorstellen, dass es genau umgedreht ist, da die vielen Holzklötzchen und Randreparaturen auch schwingungshemmend auf die Decke wirken könnten. So gesehen vermute ich, dass jede aufwendige Rissreparatur nach vorn oder auch nach hinten losgehen kann. Und dann hat man vielleicht x-tausend Euro für eine handwerkliche 1a-Restaurierung ausgegeben mit dem unvorhersehbaren Ergebnis, dass das Ding nicht mehr vernünfig klingt. Umso bemerkenswerter finde ich es, dass Ihr es gewagt habt, das Risiko einzugehen und somit ein musikinstrumentales Kulturgut erhalten habt.

Ich denke mal, dass diejenigen, die eher weniger gute Erfahrungen mit Rissreparaturen und Klangauswirkungen gesammelt haben, auch weniger Interesse hätten, hier zu berichten, oder?

Viele Grüße Basskl

Neuester Beitrag Ingick Profilseite von Ingick, 20.08.2023, 07:41:11

Hallo, ich hoffe, es wurde repariert.

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