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Claas Stamp Profilseite von claas, 25.03.2013, 21:45:58
Fugenkomposition

Hallo Zusammen

.
Ich setze mich jetzt seit einiger zeit mit der Harmonielehre auseinander und über regelmäßig an der Musikschule das aussetzen von Chorsätzen (im strengen 4-Stimmigensatz). Mittlerweile interessiere ich mich zunehmend für Polyphonie insbesondere für Fugen im Stiel von J.S.Bach und stehe vor dem Problem, das ich die Werke nicht mit der funktionellen Harmonielehre richtig erfassen kann. Ich hab jetzt schon in ein paar Kontrapunktlehren hineingeschaut, konnte aber noch keins finden mit dem ich etwas anfangen konnte. Kontrapunkt von Thomas Daniel erschlägt einen förmlich und bezieht sich auf Vokal Polyphonie des 16. Jahrhunderts ( was auch nur bedingt etwas mit fugen zu tun hat).  Das Werk Zweistimmiger Kontrapunkt: Ein Lehrgang in 30 Lektionen, des selben Autor, bezieht sich ebenfalls auf Vokalpolyphonie ~16.Jahrhundert.

Leider gibt es an meiner Musikschule nicht die möglichkeit in der Kontrapunktführung und der Fugenkomposuition unterrichtet zu werden, hab aber die großartige Möglichkeit das meine Übungen korrigiert werden.

Kann mir einer von euch einen Tipp geben, wie ich das Thema "Fugenkomposition" an besten angehe?  Und gegebenenfalls Tipps für gute Lehrwerke geben?

Vielen dank & beste Grüße

Claas

HerrK Profilseite von HerrK, 26.03.2013, 15:57:50

Hi,

ich glaube Dieter de la Motte (Kontrapunkt) ist ein Standardwerk, was dieses Gebiet angeht.

Da stößt du mit Harmonielehre auch an die Grenzen, da man ja sozusagen das Gegensatzpaar Harmonielehre <-> Kontrapunkt hat.

Man kann Musik harmonisch betrachten (Harmonielehre, zu hören in der Klassik) und melodisch (Kontrapunkt, z.B. Barock).

Schau mal in den de la Motte rein und analysiere die zweistimmigen Inventionen (15 zweistimmige Inventionen) von Bach. Und zwar nicht harmonisch, sondern wie sich die obere Melodie zur unteren verhält. Tondauern, auf-/abwärtsbewegung, Tonvorrat (Kirchentonleitern, v.a. auch "Hypo-"), Schritt- oder Sprungfortschreitung, etc... alles was du so sagen kannst - egal wie banal es klingen mag, sprich es aus oder schreib es auf.

Konkretere Fragen wären sonst aber auch nett.

Schöne Grüße,

K

midioma Profilseite von midioma, 26.03.2013, 16:38:33

Ich würde mal versuchen die Choräle, die Du wohl setzen kannst mit Durchgangstönen anzureichern. Z.B Oktave-Septime, Tonika-Zwischendominante zur 2. Stufe, etc. Damit bleibst Du harmonisch, kannst aber in den Stimmen mehr Bewegung erzeugen. 

Bei einer Fuge ist es ja meist so, dass beim Beginn der nächsten Stimme mit dem Thema die Stimme, die bislang das Thema hatte in eine eher begleitende Funktion übergeht. Das kontrapunktische besteht im wesentlichen auf Gegenbewegung oder Halten des Tones (jedenfalls eher nicht in die gleiche Richtung wie das Thema gehend) und oft auch auf rhythmischer Ergänzung (eine Stimme bleibt liegen während die andere weitergeht).

Schau Dir mal so 20 Fugen von Bach an, versuche Dich mal an so etwas wie den zweistimmigen Inventionen. Denke Dir einfach, was aus, was zur Themenstimme passt. Wenn Du schon so viel Erfahrung in Harmonielehre hast (ich vermute dann auch in Gehörbildung), dann solltest Du quasi intuitiv merken oder wissen welche Harmonie dort gerade angebracht ist und das in die Wahl der Töne der zweiten Stimme einfließen lassen. Das ganze mal aufschreiben (auch wenn es nur ein paar Takte sind) und melodisch (relative Bewegung), rhythmisch und harmonisch analysieren. Und vergleichsweise die gleiche Art der Analyse mal auf eine Invention (paar Takte reichen für den Anfang) loslassen. Hörtest ist immer wichtig, um zu merken wo es nicht gut klingt. Dann da mal genauer analysieren woran es liegt. 

Das mit dem rigiden Kontrapunkt hat mir persönlich leider nicht viel geholfen. Allzu sehr steckt man fest oder kommt immer zu den gleichen Formeln. Da muss man schon einiges an Literatur studieren, um andere Lösungen zu entdecken, wenn man selbst nicht mehr weiterkommt. Im Spätmittelalter/Frührenaissance ging ja die Melodik vor der Harmonik (die eher ein Nebenprodukt war). Da hat man es dann schon wieder etwas leichter, ist aber harmonisch nicht immer befriedigend. 

Ich denke man muss von beiden Seiten herangehen. Einmal melodische oder rhythmische Gegenbewegung und zum anderen bei der Tonwahl die Harmonik beachten. Bei der Harmonik sollte einem klar sein, wann was wohin wechselt, Kleinigkeiten wie Zwischendominanten kann man bei Bedarf immer noch einflechten. Bei nur zwei Stimmen sollte die Harmonik klar werden (Terzen besser als Quinten; Septimen helfen auch, sofern angebracht). Bei mehr Stimmen ist es leichter die Harmonik deutlich werden zu lassen, aber der kontrapunktische Teil wird schwieriger (wobei nicht alles immer entgegengesetzt laufen oder stehen beiben kann, das geht ja ab 4 Stimmen schon nicht). Da hilft es nur, Beispiele zu studieren, und zu sehen wie andere das gelöst haben. Man muss ja das Rad nicht neu erfinden. Wenn man dann später Ideen für neue Lösungen findet prima, wenn nicht macht das auch nichts. 

Man darf nicht vergessen, dass viele damalige Komponisten Fugen und fugenartiges reichlichst selbst gespielt hatten bevor sie zu solches zu komponieren begannen. Nach einer gewissen Zeit kennt man die Muster und kann sie dann u.U. auch neu zusammensetzen. Nicht jeder hat damals einen Bach'schen Level erreicht. Wie sollte das heute anders sein?

claas Profilseite von claas, 26.03.2013, 22:07:41

Vielen Dank HerrK udn Midioma für euren schnellen und ausführlichen Antworten,

 

Das Buch von Dieter de la Motte habe ich mir bereits ausgeliehen aber leider noch nicht geschafft einen Blick rein zu werfen. Ich hab auch etwas in den zweistimmigen Inventionen gestöbert und die Partitur zur Kunst der fuge angeschaut. Ich finde das Problem bei fehlendem theoretischen Wissen ist, das man Besonderheiten nicht mal erkennt, selbst wenn sie vor einem stehen oder klingen.

Sehr hilfreich fand ich die Kontrapunkt Übungen/ Schule nach Fux.

Was mich glaub ich weiterbringen würde und mein Musikalisches Vokabular und Verständnis sehr erweitern würde wären Informationen zur Themengestaltung und Variation.  Ich hab in anderen Foren Sachen wie Krebs Schere und Spiegel aufgeschnappt, kann aber leider musikalisch nicht so recht etwas damit anfangen.

Ich hätte auch großes Interesse eigenen Kompositionen, Übungen, Chorsätze und Kontrapunkte auszutauschen und zu besprechen. Falls jemand ebenfalls daran interessiert ist, würde ich mich sehr über einen Austausch freuen.

 

Viele Grüße Claas

HerrK Profilseite von HerrK, 27.03.2013, 10:32:13

Hallo,

ich würde dir nochmal empfehlen, youtube und google zu durchstöbern. Mit etwas suchen findet man da sicher einige gratis Lehrgänge, Erklärungsvideos und Anfängeraufgaben. Inzwischen bieten sehr viele Dozenten soetwas als kleinen Einblick oder sogar ausführlicher gratis im Internet an.

Grüße,
K

Neuester Beitrag alexhaas Profilseite von alexhaas, 27.03.2013, 11:47:30

Hallo Claas,

ich hab mal in der Suchmaschine "Fuge - Lehrwerk" eingegeben und heraus kam unter anderem das hier:
"Lehrbuch der Fuge: Anleitung zur Komposition derselben und zu den sie vorbereitenden Studien in den Nachahmungen und in dem Canon, zunächst für den Gebrauch am Conservatorium der Musik zu Leipzig" von Ernst Friedrich Richter.
Ich bin an Fugen nicht so interessiert und kann nicht sagen, ob es ein gutes Lehrbuch ist, aber da ja die Fuge zu Zeiten der Altvorderen schon ein gewisses Niveau erreicht hat, sollte ein Buch wie das hier nicht so schlecht sein.

Ich persönlich habe von der von nagybögö hier vorgestellten Flötenschule von Quantz ziemlich profitiert. Alt, aber im Prinzip noch gültig. Was eben auch für dieses Buch hier gelten könnte...

Grüße
Alex

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