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Klassik Kontrabass im Jazz

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Zugeordnete Kategorien: Bassbau

MisterT Profilseite von pernpeintner, 14.09.2009, 18:07:32
Klassik Kontrabass im Jazz

 Hallo zusammen,

ein alter Vollholz-Kontrabass hat ja im Gegensatz zu einem Neuen unter Umständen den Vorteil, dass sich das Holz und die Struktur schon eingeschwungen hat und sich somit durch die größere Ressonanz ein vollerer Klang entwickelt. Aus diesem Grund bin ich zur Zeit auf der Suche nach einem älteren Bass, den ich allerdings ausschließlich für Jazz nutzen möchte.

Nun sind ja gestrichene Bässe von ihrer Einstellung her unterschiedlich, z.B.  ist die Saitenlage höher, der Steg runder. Welche Unterschiede gibt es noch zu beachten, wenn man auf einem "Klassik"-Bass  Jazz spielen will? Was muss alles umgebaut bzw. anders eingestellt werden?

Ich könnte mir auch vorstellen, dass die unterschiedliche Spielweisen (pizzicato, gestrichen), die ja deutlich andere Klangbilder erzeugen, den Bass dementsprechend anders eingeschwungen haben. Natürlich muss man im Einzelfall den Bass einfach anspielen und hören, dennoch interessieren mich Eure Erfahrungswerte.

jlohse Profilseite von jlohse, 14.09.2009, 19:01:01

 1. Saitenfabrikat (Pizzicato-tauglich oder Bogen-freundlich?)
2. Saitenlage flach genug?
3. Stegrundung borgenfreundlich oder nicht?

Das war's dann eigentlich auch schon fast!

 

Basstölpel Profilseite von Basstölpel, 14.09.2009, 19:54:43

 Es ist eigentlich fast alles Angesprochene Geschmackssache. Ausser vielleicht bei Saiten - es gibt bestimmte Klassiksaiten, die gepizzt nun gar nicht klingen. Gaengige Jazzsaiten gibt es heute viele Fabrikate - siehe Saitenabteilung auf dieser site, und mal im Archiv lesen.

In beiden "Lagern" gilt: Saitenlagenmaessig gibt es hoch/mittel/niedrig Fraktionen. Ich habe von Geigenbauern sowohl gehoert "bei Klassik muss halt die Saitenlage hoeher sein weil ..." als auch den gleichen Satz, bloss beginnend mit " bei Jazz muss..."

Ein voluminoeser Ton und Konsistente Ansprache/Klang über alle Register macht ein Top-Klassik-Instrument aus. Fuer Jazz ist eher wichtig, dass die Kiste gut projizziert - ich finde es kein Problem, wenn der Sound nicht ueber alle Lagen hinweg superkonsistent ist. Genauso kann zuviel Bassiges Volumen (gut fuer Orchester) fuer Jazz ein Problem werden. Des weiteren die Frage, ob du verstaerkt spielen willst und wenn ja wie laut es denn sein muss (was fuer eine Band).

Das haengt alles aber von deinen Vorstellungen und deinem Geldbeutel ab. Ich persoenlich finde "teure" Bässe zwar hübsch usw - ich finde es aber Snobismus, wenn Baesse um die 10000 Euro als "Mittelklasse" bezeichnet werden. Mag so sein fuer die feinen Herren und Damen Klassiker, diese buergeliche Definition von Kultur interessiert mich eben einfach nicht. Ich spiele seit 20 Jahren ein ca 40 Jahre altes Fabrik-Instrument das irgendwo um die 3000 € wert sein mag, ist ja schonmal ein Haufen Schotter, und einen teureren Bass kann ich mir eben momentan nicht leisten. Ob du jetzt in der Preisklasse bis zur "Mittelklasse" ein neues oder ein altes Instrument kaufst, musst du selber entscheiden. Ein ganz neuer Bas muss erst eingespielt werden, ein Frabrikinstrument wie meins sieht halt nicht so super aus wie ein alter handgemachter Bass, hat keinen Sammlerwert und ist daher bei gleichem Klang schonmal preislich guenstiger. Aber wo gibt es schonmal zwei "gleich" klingende Baesse? Es gibt wieder zwei Lager, die einen sagen, kauf dir einen alten Bass, neue taugen nichts, die anderen sagen, investiere lieber was du hast in einen neuen Bass, da bekommst dui mehr fuer das geld, wenn du in Kauf nimmst, dass sich der Bass erst entwicklen muss, und ausserdem sind neue Baesse nicht so anfaellig fuer Risse und weniger sensibel, dass der Bass nach einem Transport erstmal fuenf Tage beleidigt ist und verschnupft klingt .

 Alles weitere musst du gegeneinander abwaegen, also falls das Instrument nicht die Saiten hat die Du gerne willst, oder andere Set-Up arbeiten braucht (z.B. einen neuen Steg falls Saitenlage viel zu tief), sollte das in die Kalkulation eingehen.

bassatuba Profilseite von bassatuba, 14.09.2009, 21:25:51

 Zit: z.B. einen neuen Steg falls Saitenlage viel zu tief

oder, falls der Steg nicht verzogen und auch sonst in Ordnung ist: die Räder zur Höhenverstellung einbauen (lassen).

Und: es gibt heute zum Glück auch neuere Saiten, die sich im Jazz ebensogut zupfen wie in der Klassik streichen lassen, zum Beispiel die Evah Pirazzi von Pirastro (bei mir auf Vollholz).

Und noch mehr: eine zum Streichen geformte, grosse Wölbung des Steges stört überhaupt nicht beim Pizzicato!

 

Basstölpel Profilseite von Basstölpel, 14.09.2009, 23:40:24

 stimmt, jedoch : Windelbands "Spezialstege" eignen sich fuer Höhenverstellräder nicht, da sie so grazile Füßchen haben

Jörn Profilseite von fetti, 16.09.2009, 14:11:02

 ??? Kannst Du mal ein Photo reinstellen?

Neuester Beitrag jlohse Profilseite von jlohse, 16.09.2009, 14:34:19
http://suennenblink.de/steg.htm
Hen Profilseite von Hen, 15.09.2009, 10:51:55

Es muss nicht immer teuer sein. Ich spiele einen Framus aus den 50ern im Jazz. Laut Wertgutachten nicht mehr als 1500 Euro. Schön aber das Ding ist der Hammer mit Olivsaiten, hat nen Punch in der Tiefe und durch das Palisantergriffbrett (von wegen immer nur Ebenholz) auch nen richtig tollen, weichen, samtigen Ton. Gestrichen klingt der Bass dafür eher bescheiden, wenn man aber ach einen hammergeilen alten Bass aus Voigtland mit Genssler-Saiten hat (sorry, will nicht angeben oder so aber ich liebe dieses Baby einfach :-) dann ist es auch immer eine Frage des Vergleichs. Ich habe früher, als ich den Solobass noch nicht hatte, im diversen Orchestern mit dem Framus gespielt, Permanent draufgehabt und gestrichen. Beschwert hat sich auch so wirklich keiner.

Basstölpel hat vollkommen recht, vergiss den Preis, lass deine Ohren entscheiden. Ich spiele den Framus unplugged oder mit Pickup und würde den Bass nie gegen einen anderen eintauschen wollen, selbst wenn ich könnte!

HerrK Profilseite von HerrK, 15.09.2009, 00:10:48

 Das mit dem Einschwingen ist glaube ich egal, obs Jazz oder Klassik ist, ein "a" klingt im Jazz genauso wie in der Klassik,
es geht ja um das Einschwingen bestimmter Frequenzen und die bleiben ja gleich. Sollte, falls es einen Unterschied macht, kaum
hörbar/messbar sein und selbst dann nach kurzer Zeit verschwinden.

Ich würde auch hauptsächlich die Saiten tauschen. Zum pizzen habe ich viel dickere Saiten, weil wie ich finde angenehmer zu spielen.
Meine Jazzsaitenlage ist sehr hoch und das Griffbrett auch rund, mir gefällts, anderen nicht, ich kenne auch andere Jazzbassisten, die
das so handhaben. Wenns dich nicht stört, dann brauchst du nichts umbauen, nur weil die Mehrzahl der Jazzer das so hat.
Natürlich ist es mit hoher Saitenlage etwas anstrengender zu spielen, dafür gehts auch etwas lauter, wenn man es braucht (Straßenmusik oder ohne Verstärker als Beispiel).

Bassist_0815 Profilseite von Tiefes-C-Saft, 15.09.2009, 07:54:36

Mein Bass wurde vor meiner Zeit wohl nur klassisch gespielt. Zum Pizzen brauchte ich da eine Verlängerung des Griffbretts - aber das ist vermutlich auch Geschmackssache.

Unverstärkt und beim Üben höre ich den größten Unterschied. Da macht sich ein eingespieltes Instrument sicher bemerkbar, neben den Saiten usw.

Live mit Verstärkung zählen (meiner Meinung nach) vor allem andere Dinge: Pickup, Mikro, Verstärker usw. Und bei manchen Gigs hätte ich gern meinen robusten Sperrholz-Bass wieder zuück... ;-)

MisterT Profilseite von pernpeintner, 15.09.2009, 11:54:20

 zunächst vielen dank für die hilfreichen antworten.

Ob nun ein toll eingeschwungener alter Bass sinnvoll ist, wenn man auf Gigs dann eh immer verstärkt spielt und dann das Abnahmesystem sehr entscheidend für den Klang ist, ist natürlich die Frage. Vor allem weil man dem Bass großen Temperaturschwankungen (OpenAir) und anderern "physikalischen Einflüßen" (Publikum muss in der Pause beim Bierholen zweimal drüberstolpern) aussetzt. Ein Kompromiss wäre ja ein Halbmassiver. Aus dem Forum etc. entnehme ich, dass sich Sperrholzbässe eigentlich nicht oder wenig einschwingen. Beim Halbmassiven bin ich mir da unsicher.

Meine ursprüngliche Strategie war, einen günstigen (3000-4000 EUR) alten Vollholzbass zu kaufen und den vom Geigenbauer ordentlich einrichten zu lassen. Ob der dann als Wertanlage taugt, ist natürlich auch die Frage.

Hen Profilseite von Hen, 15.09.2009, 14:28:39

Wenn du den Bass so einsetzten möchtest wie du das beschreibst dann kann ich dir unbedintg nur raten einen Sperrholzbass zu kaufen denn alles andere wird dich nicht glücklich machen. Ein Vollholzbass bei nem Openairgig wird dir nur sorgen bereiten, Stimmstabilität und Risse werden dich plagen. Ein Sperrholzbass ist viel robuster und macht dir deutlich weniger Probleme. Das Sperrholzbässe nicht einschwingen stimmt auch nicht, natürlich ist das Resoanzverhalten nicht so stark wie bei einem Vollholzbass (in der Regel, Ausnahmen bestätigen diese). Das muss aber kein Nachteil sein, ganz im Gegenteil. Wenn du auf der Bühne mit Amp spielst dann wirst du mit einem Vollholzbass das Problem haben das er durch die Frequenzen aus der Box mitschwingt, sprich du wirst viel mit Feedback zu kämpfen haben. Bei Sperrholzbässen passiert dir das nicht.

Wenn du schon so viel Geld zu verfügung hast dann lege es anders an. Einen guten Sperrholzbass sollte dich nicht mehr als 2000 Euro kosten. Denke dran das Saiten sehr teuer sind und extrem entscheidend für den Klang sind! Ich kenne deine Klangvorstellungen nicht aber du musst das grundsätzlich schon einplanen. Wenn du Darm spielen möchtest dann wirds richtig teuer, da ist man schnell bei 400 Euro für einen Satz (ich empfehle Dir in diesem Fall die Darmsaiten von Genssler, die klingen einfach am besten und halten auch ewig und sind im Vergleich zu anderen Darmsaiten nicht wirklich teuerer). Ein guter Pickup ist auch richtig teuer, da geht die Spanne von 150 - 300 Euro. Dann das einstellen durch den Geigenbauer, etc.. Du musst auch damit rechnen einiges an deinem Amp zu machen, die meisten Kontrabässe kommen nicht ohne einen guten Preamp zurecht und der kann auch noch mal richtig teuer werden. Und dann noch Tasche und weiteres Zubehör.. (weis ja nicht was du bereits hast und was nicht, gutes Kabel ist auch sehr sehr wichtig für den Sound, wird oft unterschätzt)

Halt die Kohlen lieber ein wenig zusammen, es wird schnell teuer mit allem drum und dran. Wenn du suchst wirst du auch Sperrholzbässe finden die richtig gut klingen, ich habe zB einen Framus bei dem das so ist (kannst gerne mal vorbeikommen und dich überzeugen ;-) Ich weis nicht wo du wohnst aber ich kenne einen hervoragenden "Bassbauer" der sich genau darauf spezialisiert hat, nämlich günstige aber gute Bässe anzubieten, größtenteils aus Sperrholz die er aussucht und zurecht macht. Von ihm habe ich alle meine Bässe zu einem Preis bekommen über den sich andere Bassbauer kaputtlachen weil es so günstig ist. Bei ihm wirst du keinen Bass für 10000 Euro finden aber einen Haufen guter Sperrholzbässe zwischen 500 und 2000. Falls dich das interessiert schreibe mit ne Mail und ich gebe dir seine Nummer. Möchte hier nicht so viel Werbung machen (auch wenn ich es darf denn es ist nur eine Empfehlung, ich habe davon leider nichts..;-)

Und einen Argument für einen Sperrholzbass welches unschlagbar ist: Du musst dir keine Gedanken beim Bier holen machen, auf so nen Bass kann das Publikum drauf klettern, das macht dem nichts aus. Mit einem Vollholzinstrument hast du schneller als du "Vorsicht" rufen kannst nen neuen Riss. Das macht keinen Spaß, ich weis das aus Erfahrung als ich meinen guten Bass auf nen Jazzgig in ner Kneipe nehmen musste weil der andere beim Bassbauer war. Das war nicht schön und hat keinen Spaß gemacht...

LG Hen

bassknecht Profilseite von bassknecht, 16.09.2009, 01:14:48

 Hallo MisterT, alte Streichinstrumente klingen nur dann signifikant besser als neue Instrumente, wenn die Instrumente die ganze Zeit gespielt wurden. Eine "Spielpause" von  mehreren Jahren ist meistens kontraproduktiv, wenn Du einen alten Bass kaufst, solltest 
Du aus vertrauenswürdiger Quelle wissen, das kontinuierliche Bespielung stattgefunden hat, oder das am Klang und Anspracheverhalten selbst sicher beurteilen können. Kannst du das? Wenn nicht, was macht eine alte Schwarte für Dich dann so interessant, ist doch nur teuer und mit Wertanlagen haben sich schon viele verspekuliert? Parolen und Gerüchte bewertet man als unerfahrener Mensch leicht mal falsch.  Natürlich ist ein Einspielvorgang wichtig, ich finde ihn sehr wichtig für das Ansprechverhalten, das Attack, dafür vielleicht sogar wichtiger als wie für den Klang. Unabhängig vom akustischen Sound, wird dir  ein gut eingespieltes, flott reagierendes Instrument auch bei elektrischer Verstärkung bessere Dienste leisten als ein träger Kasten, der nicht aus der Jacke kommt.

Selbstverständlich gewinnen auch Sperrholzinstrumente durch Einspielen an Qualität, wichtig ist bei Sperrholz generell die Materialqualität, -stärke und Konstruktion.  Einspielen kann aus Sch... keine gute Butter machen und wenn Du eine  Montagproduktion eines Massivholzbasses hast, wirst Du seine Grenzen schnell bemerken. Es hat auch vor 300 Jahren schon low budget Instrumente gegeben, wo man z.B die zeitaufwändige Maloche (Ausbeiteln der Decken- und Bodenwölbung), an unausgebildete Leute (Kinder, Greise, Underdogs, Billiglohnleute?) in Heimarbeit gegeben hat. Unter Umständen bist Du mit einem Sperrholzbass nicht schlechter bedient. Das was der Einspielvorgang bei einem Instrument positiv verändert, kann man mit einem technischen Verfahren in kurzer Zeit von einer Apparatur erledigen lassen. Das Verfahren heisst "Vibrationsentdämpfung", ich habe speziell bei Sperrholzinstrumenten nur die besten Erfahrungen damit gemacht. Ciao Roland

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